064 - Der Frauenhexer
Kehle des knienden Landsknechtes.
Schallendes triumphierendes Gelächter erscholl direkt neben den Landsknechten im Gebüsch. Die Arkebuse krachte, und die schwere Kugel schlug in den Rumpf des kopflosen Mannes. Auf solch kurze Distanz war der Aufschlag der Bleikugel furchtbar, doch der kopflose Rumpf blieb stehen.
Schreiend stoben die Landsknechte auseinander. Einige warfen sich auf die Pferde, preschten irgendwohin, die andern rannten einfach fort.
Gilbert Signefeu und Roxane traten aus dem Gebüsch. Der Landsknecht hing schlaff im Würgegriff des Kopflosen. Signefeu wartete eine Zeitlang, bis er sicher war, daß der Mann tot war. Dann machte er mit der Hand ein Zeichen, sagte mit gebieterischer Stimme: „Leben kraft meiner Magie, verlasse diesen Körper!“
Im gleichen Augenblick brach der kopflose Rumpf zusammen, fiel über den erwürgten Landsknecht.
Gilbert Signefeu wandte sich an Roxane.
„Hast du jetzt erkannt, wie groß meine Macht ist? Was sind sie alle gegen mich?“
Der Mond stand bleich am Himmel. Alle im Hotel schliefen. Linda Scholz warf sich im Bett hin und her. Liliane Hillfahrt, eine stämmige Frau um die Vierzig, die ihr als Schutz und Bewacherin zugeteilt war, schlief tief und fest auf der anderen Seite des Doppelbetts.
Im Nebenzimmer schnarchte Thorsten Thorn. Dr. Heydenreich, der Psychiater, rüttelte ihn an der Schulter. Thorn wachte nicht auf. Heydenreich drehte ihn auf die andere Seite, damit das Geschnarche aufhörte.
Plötzlich klopfte etwas am Fenster, rüttelte am Rolladen. Dr. Heydenreich fuhr zusammen. Er setzte sich auf, knipste die Nachttischlampe an.
Wieder klopfte es, hämmerte gegen den Rolladen. Dr. Heydenreich stieg aus dem Bett, schlüpfte in seine Pantoffeln und ging zum Fenster. Da fiel ihm ein, daß er bei Licht von draußen deutlich zu sehen sein würde.
Er löschte das Licht. Jetzt klopfte und rüttelte es am Rolladen der Balkontür. Kein Zweifel, da war jemand auf dem Balkon. Dr. Heydenreich fiel Thorsten Thorns unheimliches Erlebnis in der vergangenen Nacht ein. Er spürte, wie sich seine Haare sträubten.
Er packte den schlafenden Thorn an der Schulter, schüttelte ihn.
„Thorn! He, Thorn.“
Der Schauspieler rührte sich nicht. Wieder hörte der Psychiater das Rütteln am Rolladen. Er sah, wie der Rolladen ein Stück hochgehoben wurde.
„Thorn! Thorn!“
Keine Reaktion. Dr. Heydenreich nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er ergriff die schwere Taschenlampe, mit der er im Fall eines Angriffs auch zuschlagen konnte, trat an die Balkontür und zog entschlossen den Rolladen hoch.
Er fuhr mit einem Schrei zurück. Im bleichen Mondschein sah er das uralte, verrunzelte, häßliche Gesicht einer Frau. Ein höhnisches Kichern drang an Dr. Heydenreichs Ohr.
Die Hexe hob die Hand. Gleich würde sie die Scheibe der Balkontür eindrücken, zu Dr. Heydenreich ins Zimmer treten. Die Zähne des Arztes schlugen hörbar aufeinander.
, Ein Trick’, sagte er sich, als er den ersten Schock überwunden hatte.‚ Sie wollen mich reinlegen.’
Er zwang sich, die Taschenlampe zu heben. Doch noch bevor er sie eingeschaltet hatte, sah er eine zweite Hexe. Sie schien reglos in der Luft zu sitzen. Bei genauerem Hinsehen erkannte Dr. Heydenreich, daß sie rittlings auf einem Besen saß. Sie war jünger als die andere auf dem Balkon, sah aber genauso bösartig und gefährlich aus.
Das war kein Trick, keine maskierte Schauspielerin, die Dr. Heydenreich erschrecken wollte. Der Arzt hörte, wie hinter ihm die Klinke der verschlossenen Tür niedergedrückt wurde.
Er wich bis an die Wand zurück.
Die zweite Hexe flog jetzt ebenfalls auf den Balkon, trat gleichfalls an die Tür. Auch sie hob die Hand, als wolle sie die Scheibe einschlagen.
Doch irgend etwas, eine unsichtbare Kraft, schien sie daran zu hindern. Die Hexen tuschelten miteinander. Jetzt wurde an der Türklinke gerüttelt.
Keine Macht der Welt hätte Dr. Heydenreich dazu gebracht, die Tür zu öffnen und nachzusehen, wer da draußen war.
Etwas schützte ihn und Thorn, hatte einen Bannkreis gezogen, den der Arzt auf keinen Fall durchbrechen wollte. Ein Mann trat zu den zwei Hexen auf dem Balkon, so plötzlich, als sei er durch die Wand des Zimmers nebenan getreten.
Es war ein großer, bleicher, dunkel gekleideter Mann. Im Mondschein sah Dr. Heydenreich das Feuermal auf seiner linken Gesichtshälfte. Das Grauen erfaßte den Psychiater. Der Hexer war aus seiner Gruft gestiegen. Gilbert Signefeu war
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