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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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umsah, entdeckte sie eine riesige Schnecke, auf deren Haus eine Elfe ritt - oder was auch immer es für ein Wesen sein mochte. Es war zumindest entfernt elfenähnlich. Die Schnecke arbeitete sich mühsam vom Bach fort über den schmalen Uferstreifen, dem Dickicht zu. Sie trug Brandwunden an ihrem massigen Körper, auch das Haus war hier und da versengt. Die Schneckenreiterin drohte Yaga zornig mit der Faust. »Sieh, was du angerichtet hast, du Ungeheuer«, kreischte sie.
    Offenbar hatten Schnecke und Reiterin gerade in jenem Moment den Bach durchquert, in welchem Baba Yaga ihren Angriff durchführte. Die magische Entladung hatte der Schnecke die Verletzungen beigebracht.
    Die Hexe sah dem seltsamen Gespann spöttisch lächelnd nach, während es schnaufend, jammernd und schimpfend - hier die Schnecke, da die Reiterin - im Unterholz verschwand. »Deshalb also dauert die Postzustellung immer so lange«, murmelte sie.
    Es berührte sie nicht, daß ein außenstehendes Wesen verletzt worden war. Es gehörte zum Zauberwald, war eines der vielen Fabelwesen, die Broceliande bevölkerten. Der Wald selbst aber hatte sich gegen Baba Yaga gestellt und war damit ihr Feind. Damit stellte sich ihr die Frage nach Schuld oder Unschuld erst gar nicht.
    Und selbst wenn - sie hatte sich um derlei Kleinigkeiten noch nie Gedanken gemacht. Das Schicksal anderer interessierte sie kaum jemals.
    Aber dann wandte sie sich wieder ihrem eigenen Schicksal - ihrem derzeitigen Problem - zu. Sie hatte schon genug Zeit verloren. Der Vollmond würde ihr nicht pausenlos leuchten; sie konnte keine Ewigkeit lang auf seine Macht vertrauen. Noch schien er über ihr und ignorierte Merlin, aber wie lange würde sie sich seiner noch bedienen können?
    Sie mußte den Hinweis finden!
    Sie pfiff ihrem Reitofen, der hurtig herbeistapfte, bog mit einer gewaltigen Kraftanstrengung das abgeknickte Rohr wieder gerade und stieg dann auf.
    »Weiter geht's!« befahl sie.
    Gehorsam trabte der Ofen an.
    ***
    Ted Ewigk schloß die Augen und öffnete sie wieder. Er lag ausgestreckt auf dem Boden, und die beiden Druiden beugten sich über ihn. »Willkommen im Jammertal der Lebenden«, murmelte er. »Darf ich mal?« Damit wand er Ted die Jeansjacke aus der Hand.
    Da erst merkte Ted, daß er die immer noch festgehalten hatte.
    In der anderen hielt er die Überreste von Teris Tanga, ihrem vormals einzigen Kleidungsstückchen.
    »Typisch«, seufzte die Goldhaarige. »Selbst in größter Todesgefahr denkst du nur an das eine. Dabei würde das zu Gryf viel eher passen als zu dir.«
    »Ich kauf dir ’nen neuen«, murmelte Ted. »Obwohl… im klatschnassen Hemdchen sähest du sicher erstklassig aus!«
    »Sagte ich’s nicht - er denkt selbst jetzt nur an das eine. Aber was, zum Teufel, soll ich mit Kleidung?« fragte die nackte Druidin. »Wird mir ja doch nur ständig von euch Männern kaputtgerissen.«
    Gryf räusperte sich. »Nasse Klamotten reißen nun mal leichter als trockene. Aber Fetzen-Look kommt auch ganz gut. Und jetzt muß ich mir wohl doch ’nen Baum zum Trocknen suchen. Zweimal am gleichen Tag ins Wasser geschmissen werden, macht echt keinen Spaß…« Er begann sich auszuziehen und die Sachen auszuwringen.
    Ted raffte sich auf und folgte seinem Beispiel. »Schätze aber, daß euch das möglicherweise das Leben gerettet hat.«
    »Und der zeitlose Sprung, mit dem wir dann den Bach wieder verlassen haben, war vermutlich nicht weniger lebensrettend«, sagte Gryf. »Damit sind wir wieder quitt. Wie bist du bloß auf diese bescheuerte Idee gekommen, Alter?«
    »Er wollte mir unschuldigem kleinem Mädchen den Anblick zweier strammer nackter Burschen gönnen«, grinste Teri. »Nett geplant, Ted.« Sie nahm ihm das nasse Kleiderbündel aus der Hand, schmiegte sich für ein paar Sekunden eng an ihn, rieb sich verführerisch an seinem Körper und küßte ihn ausgiebig.
    »Soviel also zum nur-an-das-eine-denken«, murmelte Gryf. Teri grinste ihn an und begann, Teds Sachen über einen tiefhängenden Ast auszubreiten.
    »He, das ist meiner«, protestierte Gryf.
    »Bestimmt nicht. So einen langen Ast hast du nie und nimmer«, spöttelte die Druidin. Sie wechselte anzüglichvergleichende Blicke zwischen Gryf und Ted, dem es schwer fiel, nicht zu deutlich wahrnehmbar werden zu lassen, wie ihm der Anblick gefiel, den sie bot.
    »Aber ich hab' den zuerst gesehen.« Verdrossen hielt Gryf nach einer anderen ›Kleiderstange‹ Ausschau. »Verdammt, Babuschka Yaga hätte uns da im Wasser

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