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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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möglich!«
    »Du könntest beinahe recht haben«, sagte Merlin. »Aber nur beinahe. Denn du hast etwas Entscheidendes übersehen: die ganze Zeit über haben wir von Träumen gesprochen. Die kann Baba Yaga manipulieren. Aber bei dem, was Ted und ich erlebten, handelte es sich nicht um Träume, sondern um Erinnerungen.«
    Die Druidin strich sich eine nasse Strähne ihres goldenen Haares aus dem Gesicht.
    »Und was, bitte«, fragte sie provozierend, »ist der Unterschied?«
    ***
    Baba Yaga sah…
    Sie erinnerte sich…
    Sie - träumte…?
    Sie befand sich im Zauberwald, aber jetzt attackierte der Wald sie nicht. Er akzeptierte sie, denn sie hatte jedes Recht, sich hier aufzuhalten.
    Sie verspürte Zufriedenheit und Ruhe. Eine Harmonie, wie sie sie selten zuvor empfunden hatte und vielleicht später niemals wieder erfahren würde. Sie genoß diesen wundervollen, nahezu unwiederbringlichen Zustand mit allen Fasern ihres Daseins.
    Lächelnd beobachtete sie ein junges Mädchen mit blondem Haar. Es ritt nackt auf einem Einhorn durch den Zauberwald, jagte das wunderbare, weiße Tier mit den leuchtenden Augen verspielt über die Pfade und über die Lichtungen. Andere Einhörner gesellten sich hinzu. Sie neckten sich, lieferten sich Hetzjagden.
    Yaga empfand die unbändige Lebensfreude dieser herrlichen Geschöpfe. Und sie empfand den Spaß, das unbeschwerte Vergnügen, das das blonde Mädchen dabei hatte.
    Es mochte etwa 15 Jahre zählen oder wenig mehr.
    Unwillkürlich seufzte Yaga. So wenig Zeit blieb ihr noch…
    Das Mädchen mit den unglaublichen magischen Fähigkeiten, dem die Menschenwesen Zamorra und Duval den Namen Eva gegeben hatten, weil die Blonde sich an ihren wirklichen Namen nie erinnern konnte, wenn sie in eine neue Phase ihres Daseins eintrat. Eines Daseins, wie es das nie zuvor im Multiversum gegeben hatte.
    Schließlich hielten sie ein in ihrem Spiel. Eva sprang vom Rücken ihres Einhorns, sprach zu ihm, klopfte ihm den Hals, streichelte das Fell, berührte es mit den Lippen. Eine Hand strich Schweißflocken von Hals und Flanken des Tieres. Das Einhorn stupste Eva mit der Nase gegen Schulter und Rücken.
    Sie lachte hell auf, wirbelte um ihre Achse und zog das Einhorn am Schweif. Das Tier keilte spielerisch aus. Eva ließ los, machte einen Überschlag rückwärts. Ein anderes der Einhörner zupfte an ihren Haaren. Sie kreischte auf, lachte wieder. Dann jagten die Tiere im Galopp davon, verschwanden in der Tiefe des Waldes.
    Die Augen des Mädchens leuchteten.
    Eva straffte sich. Sie lief zu einem Bach hinüber, an dessen Ufer sie ihr Kleid abgelegt hatte. Sie hockte sich nieder, streckte die Füße ins Wasser, um sie zu kühlen. Neben ihrem Kleid lag ein Dolch, mit dem sie ihren mitgebrachten Proviant zerteilen konnte, und eine lederne Flasche mit leichtem Wein.
    Mit einem bronzenen Becher schöpfte sie etwas Wasser aus dem Bach und füllte dann ein wenig von dem Wein hinzu, nahm ein paar kleine Schlucke.
    Hinter ihr trat eine dunkle Gestalt aus dem Dickicht des Waldes hervor. Ein großer Mann, dessen Kopf von einem mächtigen Hirschgeweih geziert wurde. Er war nackt wie sie.
    Er näherte sich der Blonden und setzte sich zu ihr. »Gibst du mir auch einen Schluck?«
    Sie drückte ihm den Bronzebecher in die Hand. »Du willst doch nicht nur etwas trinken.«
    »Doch…«
    Eva verdrehte die Augen. »Gib es doch endlich auf, Doe«, seufzte sie. »Du bekommst mich nicht. Ich bin noch viel zu jung für dich. Du bekommst Ärger mit meinem Vater, wenn du mich nicht in Ruhe läßt.«
    »Ich bringe es einfach nicht fertig, dich in Ruhe zu lassen«, sagte er mit einer tieftönenden Stimme, die irgendwie nicht so recht zu ihm zu passen schien. »Du bist nicht zu jung, ganz bestimmt nicht. Du bist so unglaublich schön. Ich möchte dich glücklich machen.«
    »Das kannst du nie«, erwiderte Eva. »Geh wieder, ehe mein Vater dich hier sieht. Er dreht dir den Hals um.«
    »In Broceliande tötet niemand einen anderen«, sagte der Mann mit dem Hirschgeweih. »Und schon gar nicht dein Vater.«
    Eva erhob sich, nahm ihr Kleid auf und streifte es sich über. »Jetzt bin ich nicht mehr so unglaublich schön, daß du mich glücklich machen möchtest.«
    »Doch«, widersprach er. »Es ist nicht deine äußerliche Schönheit, die mich reizt, sondern deine innere.«
    »Ich bin gefährlich für dich«, sagte sie. »Ich kann dir all deine Macht nehmen, mit nur einem Gedanken.«
    »Du wirst es niemals tun. Du bist zu gut dafür«, sagte

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