0640 - Hexentränen
beruht?«
»Das ist sicher nicht deine Bestimmung«, erwiderte Baba Yaga.
»Aber was dann?«
Baba Yaga lächelte.
»Du bist etwas ganz anderes«, sagte sie leise. »Etwas ganz Neues. Etwas, das zu anders und zu gut ist für diese Welt…«
Das Erinnerungsbild erlosch jäh. Aber nur, um…
***
»Eine gute Frage«, sagte Merlin. »Träume und Erinnerungen… manchmal glaubt man, sich an Dinge zu erinnern, obgleich man sie nur geträumt hat, und sind Träume nicht auch Erinnerungen an das Ungeschehene?«
»Mir wird's zu philosophisch«, murmelte Gryf. »Merlin, was hältst du davon, deine enormen Fähigkeiten mal etwas nutzbringender anzuwenden und unsere Kleidung ein bißchen trocken zu zaubern? Ted scheint sich in seinem Adamskostüm nicht sonderlich wohl zu fühlen.«
»Ich könnte mehr tun«, sagte Merlin, während er mit leichter Hand einen Zauber wob. »Ich könnte euch einen Teil eurer Kraft zurückgeben.«
»Du meinst, du würdest uns einen Teil deiner Kraft zukommen lassen«, verbesserte Gryf. »Ich denke, das will ich nicht. Vielleicht wirst du alles, worüber du verfügst, noch benötigen. Außerdem werde ich nicht noch einmal gegen die Babuschka antreten.«
»Sie würde uns töten«, fügte Teri hinzu.
»Diesmal hat sie in uns vielleicht deine Helfer gesehen. Sie weiß durchaus zu erkennen, was ein Freundschaftsdienst ist. Sie hat uns in die Flucht geschlagen. Damit könnte die Angelegenheit für Baba Yaga erledigt sein. Kreuzen wir aber jetzt ein zweites Mal ihren Weg, wird sie das als unsere Initiative ansehen. Sie wird in uns endgültig Feinde sehen.«
»Ich habe nicht darum gebeten, daß ihr sie noch einmal bekämpft«, sagte Merlin. »Oder habt ihr mich danach fragen gehört?«
Gryf grinste breit.
»Wir kennen dich doch, altes Schlitzohr«, sagte er respektlos. »Auch Fragen, die nicht laut gestellt werden, sind Fragen. Die Antwort lautet: nein. Selbst wenn es wieder zu einem Unentschieden käme, könnte Babuschka Yaga auf Rache sinnen. Später, wenn all das hier vorbei ist. Sie würde uns finden, außer wir verstecken uns so wie Sergej. Denkst du manchmal noch an Sergej, den armen Teufel, der jetzt in einem gottvergessenen Dorf in der Ukraine lebt und sich immer noch davor fürchtet, Yaga werde ihn eines Tages auch dort entdecken? Und das alles, weil er ein einziges Mal mit ihr zusammengerasselt ist. Sie hat ihn zu einem psychischen Wrack gemacht.«
Merlin nickte stumm. Natürlich kannte er Sergej, einen Silbermond-Druiden, der seit Jahrhunderten zurückgezogen dahinvegetierte. Aber auch Merlin ließ Sergej in Ruhe. Niemand störte den Druiden, der sogar Angst davor hatte, sich vor der Baba in den Tod zu retten, weil er sicher war, sie würde auch seine Seele noch finden und quälen.
»Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb du Gryf und Teri nicht mit einem Teil deiner Kräfte ausstatten solltest«, warf Ted Ewigk ein.
Die beiden sahen ihn überrascht an. Nur Merlin nickte wieder; er begriff bereits, was Ted den Druiden erst noch zu erläutern hatte: »Merlin kann oder will aus bestimmten Gründen nicht persönlich gegen die Hexe Vorgehen. Gäbe er euch aber seine Kraft, wäre diese ein Teil von ihm, die ihr gegen die Baba einsetzt. Somit würde er auf einem Umweg doch selbst aktiv. Und das, glaube ich verstanden zu haben, soll doch gerade nicht geschehen.«
»Das wäre aber nur der Fall, wenn wir tatsächlich noch einmal gegen sie antreten würden. Was wir aber auf keinen Fall tun werden«, sagte Gryf entschlossen.
»Ihr werdet also gehen«, sagte Merlin.
Der Druide nickte.
»Ich bin euch dankbar für das, was ihr für mich getan habt«, sagte Merlin.
Der Druide sammelte seine magisch getrockneten Textilien ein. »Ich bin ja mal gespannt«, sagte er, »ob sich deine Dankbarkeit eines Tages mal für uns alle auszahlt - oder wenigstens für einen von uns. Weißt du, Merlin, du hast eine unnachahmliche Art, immer wieder andere für dich die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen zu lassen. Versteh's jetzt nicht falsch, mein Alter. Ich habe nicht vor, dir jemals meine Hilfe zu verweigern, und ich lege auch keinen Wert darauf, in eine Situation zu geraten, in der ich deine Hilfe dringend brauche. Aber… du nimmst oft, aber du gibst selten.«
Merlin sah ihn erstaunt an. Dann entsandte er Licht aus vorgewölbten Handflächen, das Gryf einhüllte. Augenblicke später war der Druide fort.
»Sei ihm nicht böse«, sagte Teri. »Er ist manchmal ein bißchen direkt.«
»Ich kenne ihn
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