0644 - Der Leichenfürst von Leipzig
der nur erscheint, wenn die Gegensätze aufeinander prallen. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Für einen normalen Menschen ist es unmöglich, seinen Schatten zu kontrollieren. Er kommt, wenn die äußeren Bedingungen es zulassen, er ist da, wenn die Sonne scheint, aber in der Dunkelheit ist er verschwunden, wieder eingetaucht in seine Welt.«
»Das ist bei Hoffmann wohl anders.«
»Sehr richtig.«
»Okay, wie anders?«
»Hoffmann ist in der Lage, seinen Schatten zu kontrollieren. Das ist eben das Besondere daran. Er kann ihn erscheinen lassen, wenn er es will, und er kann ihn kontrollieren. Sein Schatten gehorcht ihm. Er tut alles, was sein Herr und Gebieter von ihm verlangt. Sein Schatten ist nicht nur sein zweites Ich, sondern auch sein Killer, Chinese. Und das ist der springende Punkt.«
Suko lachte leise. »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Der Schatten mordet.«
»Ja, er tötet. Aber nicht nur das. Ein normaler Tod wäre lächerlich, im Prinzip. Er ist in der Lage, Menschen zu töten und sie als Zombies wieder erscheinen zu lassen. Nun - was sagst du jetzt?«
Erst mal nichts. Suko schwieg, weil er das Gehörte verdauen musste. Was ihm van Akkeren da erklärt hatte, war furchtbar, das eröffnete einem Menschen ohne Skrupel Tür und Tor, das ging unter die Haut und konnte einen fertig machen.
Van Akkeren lachte leise und so hinterhältig und wissend, als hätte er es zuvor geübt. »Du wirst viel erlebt haben, Chinese, aber dies wird auch dir neu sein - oder?«
Suko stieß die Luft aus. »Kompliment, van Akkeren, das ist es. Ich darf noch einmal zusammenfassen. Hoffmann ist ein Mensch, der seinen Schatten kontrollieren und als Mörder einsetzen kann. Er könnte sich als Zombiemacher fühlen.«
»Exzellent. Mein kleiner Schlag hat deinem Gedächtnis also nichts getan.«
»Du hast dich mit ihm verbündet…«
»Ja, wir haben uns gesucht und gefunden. Es gab Hoffmann schon lange, nur brauche ich dich nicht an die politischen Gegebenheiten in diesem Land zu erinnern, Suko. Es war damals für uns schwer, uns entfalten zu können. Das hat sich nun geändert. Leipzig ist bereit für den Leichentanz.«
»Ihr wollt die Stadt mit Zombies überschwemmen?«, fragte Suko lauernd. Allein die Vorstellung daran ließ bei ihm schon ein starkes Magendrücken aufkommen.
»Das wäre die Folge, Chinese. Das hatten wir im zuerst auch vor. Wir wollten ein Exempel statuieren, aber dann kam mir eine bessere Idee.«
»Die du mir natürlich verrätst.«
»Gern. Ich beschäftige mich auf vielen Gebieten. Mein kleiner Ausflug in die Londoner Geisterbahn ist leider danebengegangen, aber das habe ich verkraftet. Ich habe die Pläne zurückgestellt, denn die echten Zombies können wertvoller sein. Denk mal nach. Hoffmann gelingt es, seinen Schatten als Killer zu schicken. Er bringt die Menschen um oder verwandelt sie in lebende Leichen. Wem könnte Hoffmann den Schatten alles schicken, Chinese? Wem…?«
Suko hatte zwar gewisse Vorstellungen, behielt sie aber für sich. Er sagte nur: »Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie ich meine. Du hast eine bestimmte im Auge.«
»Natürlich, und die liegt auf der Hand.«
Bei Suko fiel der Groschen. »Templer?«
»Gewonnen, Chinese, gewonnen. Es geht uns um die Templer.« Van Akkeren streckte den rechten Arm aus. »Aber nicht um meine, sondern um die anderen, wenn du verstehst.«
»Die um Abbé Bloch, den Brüdern, die in Frankreich ihre Heimat gefunden haben.«
»Richtig. Ich werde ihnen meinen Freund Hoffmann in den Ort schicken. Er selbst braucht nicht in Erscheinung zu treten, kann sich in ein Hotelzimmer setzen und seinen Schatten auf die Reise schicken. Auf ihn wird kein Verdacht fallen.«
Das waren Perspektiven, die Suko erschauern ließen. Es blieb nicht beim Schauder, denn eine tiefe, quälende und würgende Angst breitete sich in seinem Innern aus.
Er schwieg, was van Akkeren sehr gut gefiel, denn er amüsierte sich darüber. »Soll ich noch weitersprechen, Chinese?«
»Natürlich.«
»Gut.« Er gab sich leutselig. »Wie ich die Dinge sehe und verfolgen kann, werden die Ereignisse in den nächsten Tagen stattfinden. Wir sehen Leipzig als einen Ausgangspunkt für unsere Aktivitäten an. Die wichtigen Dinge regeln wir in Alet-les-Bains. Wir müssen diese Brut dort einfach auslöschen, das bin ich Baphomet schuldig, wenn du verstehst, Chinese.«
»Sicher, van Akkeren, wir kennen uns lange genug. Aber wie ist Hoffmann zu dieser ungewöhnlichen Stärke
Weitere Kostenlose Bücher