0648 - Die Stunde des Ghouls
seines Gesichtes, fand Destinato, war recht interessant. Eben noch grünlich, war es jetzt dunkelrot. Der Mann rang um Atem. Der zusammengedrehte Stoff seines Hemdes verengte natürlich auch den Kragen.
»Wie du willst«, sagte Destinato, hob sein Knie und ließ den Mann darauf fallen. Der heulte auf, japste und krümmte sich zusammen; diesmal wurde sein Gesicht leicht gelblich und dann grau.
Destinato fragte sich, wie der Mann schmecken würde.
Nun, vielleicht sollte er es ausprobieren - später.
Wenn es ein Später gab.
»Wenn du zu Ende gewimmert hast, kannst du mir vielleicht verraten, wo Ombre ist«, fuhr der Ghoul fort.
»Ich… äch… ahhh, du…«
»Was willst du von Ombre?« fragte eine Stimme hinter Destinato. »Du gehörst nicht zu seinem Bekanntenkreis. Ich wüßte das. Wer hat dich hergeschickt?«
Der Ghoul wandte den Kopf.
Er schätzte den Schwarzen auf Mitte 30. Der Mann trug Jeans, ein kariertes Hemd und eine Werwolfslederjacke. Destinato roch die Herkunft des Materials sofort. Er erschauerte. Dieser Mann war der legendäre Ombre!
»Ich habe eine Information«, krächzte Destinato heiser.
»Du wirst Ombre hier nicht finden«, sagte der Dunkelhäutige. »Komm mit nach draußen.«
Er schob den Ghoul mit geradezu spielerischer Leichtigkeit vor sich her. Die anderen Gäste der Hafenkneipe sahen den beiden nach, danach setzte die normale Unterhaltung wieder ein.
Die Nacht draußen war erfrischend kühl. Eine dichte Dunstglocke lag über der Stadt und verdeckte Sterne und Mondlicht.
Destinato hoffte, daß die anderen ihn nicht im Stich ließen. Daß sie ihn abschirmten, damit Ombre nicht auf Anhieb erkannte, wen er vor sich hatte. .
Er begann zu zittern. Noch nie hatte er sich einer solchen Gefahr ausgesetzt gefühlt.
Der Dunkelhäutige zerrte ihn in eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern. »Wer bist du?« zischte er. »Was willst du von Ombre ? Was ist das für eine Information?«
Etwas in Destinato verlangte, seine überlegene Körperkraft einzusetzen und sich aus dem Griff des Schwarzen zu befreien. Aber irgendwie war er dazu einfach nicht in der Lage. Die Furcht lähmte ihn. Was, wenn Ombre diese dämonenvernichtende Superwaffe bei sich trug?
Und dann sah der Ghoul noch etwas.
Die obersten drei Knöpfe des karierten Hemdes waren geöffnet. Darunter blitzte etwas silbern auf der Haut des Mannes.
Carlo Destinato begriff sofort, worum es sich dabei handelte.
Um eines der sagenhaften Amulette, die der Zauberer Merlin einst geschmiedet hatte.
Der Ghoul kannte nur einen Menschen, der eines dieser Amulette besaß.
»Professor Zamorra…?«
***
Professor Zamorra schüttelte den Kopf. »Sieht nach einer Zeitungsente aus«, meinte er. »Grabschändungen… das paßt nicht zu Ghouls.«
»Aber es sind auch Leichen… äh… beschädigt worden«, erinnerte Pascal Lafitte. »Das deutet doch auf Leichenfresser hin.«
»Eher auf irgendwelche Grufties und Sektierer, die eine Schwarze Messe abgehalten haben. Oder eine Bande von Halbstarken, die zu feige ist, sich an den Lebenden zu vergreifen. Statt dessen schänden sie die Toten. Die können sich schließlich nicht mehr wehren…«
Pascal Lafitte zuckte mit den Schultern. »Ich habe euch nur den Artikel geliefert. Für seinen Wahrheitsgehalt bin ich nicht verantwortlich.«
Er war so etwas wie Professor Zamorras »Vorkoster«. Der Parapsychologe hatte eine ganze Menge Zeitungen aus aller Welt abonniert, und Lafittes Aufgabe war es, sie zu durchforsten, ob es irgendwo Berichte über unerklärliche Geschehnisse gab. Oft genug war Zamorra erst durch solche Artikel auf Dinge aufmerksam geworden, die sein schnelles Eingreifen erforderten.
Meist scannte Lafitte die Artikel lediglich und schickte die Files per Datenfernübertragung direkt in Zamorras Computeranlage. Manchmal kam er aber auch zum Château hinauf, brachte sie als Disketten persönlich vorbei. Schließlich wollte man ja hin und wieder auch mal ein bißchen miteinander plaudern.
So wie diesmal.
Den Artikel über grabschändende Ghouls in Mexiko hatte er in einer spanischen Sensationsgazette gefunden. Der Vorfall hatte wohl ein paar Tage gebraucht, um den Weg über den Atlantik und in eine Zeitungsspalte zu finden, in der gerade mangels interessanterer Themen genügend Platz war.
Nicole Duvals Finger tanzten über die Tastatur. Sie startete eine schnelle Datenabfrage. »El Palmito, kleiner Ort am Rio Nazas, Einwohnerzahl unter 10.000, Bundesstaat Durango der Vereinigten Staaten
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