0649 - Der Junge von Stonehenge
wo die Gestalt landen würde. Im Mittelpunkt der Steine.
Und da prallte sie auch auf, als der Wissenschaftler sicherheitshalber zurückgesprungen war. Der Grasboden dämpfte den Aufschlag, der trotzdem noch hart genug war, denn Conrad befürchtete, dass die Gestalt zerbrechen würde.
Sie blieb heil, kippte nur schwerfällig zur Seite und streckte dabei noch die Arme aus, um sich mit den Händen abzustützen. Der linke Flügel war eng an den Körper angelegt worden, der rechte noch zur Hälfte gespreizt. Diese Form unterstrich noch stärker die unnatürliche Haltung.
Frank Conrad traute sich nicht, näher an die Gestalt heranzugehen. Er wusste auch nicht, ob er von ihr gesehen worden war, denn der Unbekannte hielt den Kopf gesenkt. Es war aber zu sehen, dass an seiner linken Seite die Klinge eines mächtigen Schwerts steckte.
Eine normale Haut besaß die Gestalt nicht. Wenn Conrad nicht alles täuschte, bestand sie aus Metall, einer Mischung aus Bronze und Eisen.
Der Gefallene sah grau aus. Hin und wieder aber schimmerten an verschiedenen Stellen rötliche und silbrige Einschlüsse.
Conrad konnte nicht hören, ob der Abgestürzte atmete. Für ihn war er ein mystisches Wesen, eine Mischung aus Mensch und Geist, eben ein Gestalt gewordener Engel.
Er gab sich einen innerlichen Ruck, als er auf den Engel zuschritt. In seinen Knien spürte er das Zittern, denn was er hier erlebte, das war ihm in seinem gesamten Leben nicht vorgekommen. So etwas konnte er auch nicht erklären.
Durch Conrads Bewegung wurde auch der Eiserne aufmerksam. Ohne seine Haltung zu verändern, hob er den Kopf an und schaute dem Wissenschaftler entgegen.
Dieser wunderte sich darüber, dass er noch immer keine große Furcht empfand. Eher eine gewisse Spannung, gepaart mit einem leichten Unbehagen.
Dicht vor der Gestalt blieb er stehen und ertappte sich bei dem Gedanken zu fragen, ob dieser Fremde auch reden konnte. Die Antwort nahm ihm der andere ab.
»Ich grüße dich, Fremder. Wer immer du auch bist, als Feind brauche ich dich wohl nicht zu betrachten.«
Überrascht ging Conrad einen Schritt zurück. »Du… du sprichst?« flüsterte er.
»Ja, wie du hören konntest.«
»Wer bist du dann?«
»Zumindest ein Leidensgenosse.«
Conrad nickte. »Ja, ja!« rief er. »Das kann ich mir vorstellen. Ein Leidensgenosse.« Dann ging er in die Hocke. So konnte er sich besser auf die Gestalt konzentrieren. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Bitte.«
Conrad wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte und suchte nach den richtigen Worten. »Bist du ein Mensch, ein Vogel oder einfach nur ein überirdisches Wesen, ein Engel?«
»Was glaubst du denn?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann sieh mich einfach als einen Engel an. Etwas anderes kann ich dir nicht sagen. Ich bin der Eiserne Engel, und du hast eine meiner größten Niederlagen miterlebt.«
»Den Absturz, nicht?«
»Richtig. Damit habe ich nicht gerechnet, aber er zeigt mir gleichzeitig, wie mächtig und groß die anderen Kräfte sind, die zwischen den Steinen lauern. Etwas ist hier hervorgekommen und hat die Gestalt eines Jungen angenommen.«
»Den erweckte ich.«
»Du?« Der Eiserne war erstaunt. Die Augen in seinem klassisch geschnittenen Gesicht weiteten sich. Es sah aus, als würden sie hinter einer Maske aus Metall größer werden.
»Dabei habe ich es nicht gewollt.«
Schwerfällig richtete sich der Eiserne Engel auf. Als er hockte, zog er die Knie an und legte seine Handflächen darum. »Wir haben noch genügend Zeit, mein Freund. Komm, berichte mir in kurzen Sätzen, was dir widerfahren ist.«
Seltsamerweise hatte Conrad Vertrauen zu dieser Person gefasst und hielt sich auch nicht zurück. Es strömte nur so aus ihm hervor, und wenig später wusste der Eiserne alles.
»Ein Toter also ist unser Gegner«, murmelte er. »Ein lebender Toter, der den Weg zu den Steinen gefunden hat. Nicht nur nach Stonehenge, sondern auch zu den Flaming Stones.«
»Was ist das?«
»Meine zweite Heimat.«
»Hast du auch eine erste?«
»Ja, Atlantis, Der Kontinent, der vor mehr als 10 000 Jahren zu einem Raub des Meeres wurde. Dort habe ich als Anführer der Vogelmenschen gelebt.«
Conrad nickte, ohne dass er begriff. Er nahm es einfach hin, ihn konnte nichts mehr erschüttern. Er bewegte seinen Kopf und schaute die in der Nähe stehende Tafel an. Dabei fragte er: »Was können wir denn überhaupt noch tun?«
»Wir sollten die Zeit nutzen, solange Tim noch nicht erschienen ist. Dass er etwas von
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