065 - Rendezvous mit dem Sensenmann
und dann glitt ich über das Wasser. Es war herrlich. Die warme Luft pfiff mir um die Ohren, und die Gischt spritzte mir ins Gesicht.
Werner steuerte nach draußen und dann an der Küste entlang auf Plateau de la Garoupe zu. Nach einiger Zeit versuchte sich Werner als Wasserskiläufer. Ohne viel Erfolg freilich. Als ich ihn an Bord holte, war er naß wie eine gebadete Katze.
Es war nun Zeit, die Mädchen zu treffen. Werner lenkte das Motorboot in die Nähe der Bucht unterhalb der Villa des Monsieur Beaufort. Er stellte den Motor ab, und wir warteten geduldig.
Nach zwanzig Minuten schoß der Kajütkreuzer aus der Bucht, eine weiße, breit ausfächernde Gischtspur hinter sich herziehend. Ein Mann mit Kapitänsmütze stand auf der kleinen Brücke.
„Wer ist das?" fragte ich Werner. Er winkte ab.
„Jean, der Chauffeur. Keine Sorge, er ist nicht so. Für ein paar Francs drückt er beide Augen zu." Der Kajütkreuzer fuhr fast drei Kilometer weit hinaus. Wir starteten den Außenbordmotor und folgten ihm. Von hier draußen hatte man einen großartigen Ausblick auf das Kap, die Vorgebirge und die Stadt Antibes.
Vier Mädchen befanden sich auf dem Kajütkreuzer. Zu meiner Enttäuschung bemerkte ich, daß Coco sich nicht bei ihnen befand. Doch Elise Busch, die blonde Tramperin aus Würzburg, die ich kurz nach meiner Ankunft ein Stück mitgenommen hatte, war auf dem Boot. Natürlich auch Naomi Akilele, die kaffeebraune Schönheit, nach der Werner so verrückt war.
Sie lachte und winkte uns zu.
Wir ließen das Motorboot neben den Kajütkreuzer treiben. Die Mädchen warfen eine Leine herüber. Wir machten fest und enterten an Bord.
Jean, der Chauffeur, von dem mir Coco erzählt hatte, war auch mir nicht sonderlich sympathisch. Aber als ich mit der Gnostischen Gemme in seine Nähe kam, reagierte er nicht.
Werner gab ihm eine Fünfzigfrancnote. Er salutierte spöttisch und hockte sich mit einer Rotweinflasche auf das Oberdeck. Wir kümmerten uns um die Mädchen.
Werner turtelte mit seiner Naomi, während ich mich mit den drei anderen unterhielt.
Die Mädchen erzählten mir von der Villa und von den vier alten Damen, die ihnen so selbstlos ein Dach über dem Kopf angeboten hatten. Ich erwähnte Coco und sagte, wir hätten im Flugzeug nebeneinander gesessen.
„Sie hatte kaum Geld bei sich, und ich fragte mich, wie sie an der Côte d'Azur zurechtkommen würde. Nach der Ankunft in Antibes haben wir uns dann aus den Augen verloren. Schade. Diese Coco ist ein tolles Mädchen. Es wäre ein verrückter Zufall, wenn sie in der Villa Daimon untergekommen wäre. Aber so etwas gibt es nicht."
„Das gibt es doch!" rief die Französin Nadine. „Coco Zamis wohnt tatsächlich in der Villa Daimon." „Man sollte es nicht für möglich halten. Bestellt ihr einen Gruß von Dorian Hunter. Weshalb ist sie denn heute nicht mitgekommen?"
„Coco hat einen Arbeitsfimmel. Sie werkt den ganzen Tag an ihrer Vogelscheuche herum, als gelte es, damit einen Preis zu gewinnen."
„An ihrer Vogelscheuche? Was hat denn das zu bedeuten?"
Die drei Mädchen klärten mich nun über die Hausordnung und die Gegenleistungen auf, die sie für Kost, Logis und alles übrige zu erbringen hatten. Ich tat, als sei mir das völlig neu. Ein paar Dinge, die die Mädchen beiläufig erzählten, ließen mich aufhorchen.
Ich fragte die Mädchen nach Monsieur Beaufort, dem angeblichen Besitzer der Villa. Keine von ihnen wußte, daß der Magier und Okkultist offiziell bereits 1947 verstorben war. Sie schilderten ihn als einen verschrobenen, menschenscheuen alten Mann mit einem großen Herzen für arme Mädchen.
Fast hätte ich bitter gelacht.
Wir sprangen über Bord und planschten eine Weile im Wasser herum. Die Zeit verging wie im Flug. Später saßen wir an Deck. Die Mädchen hatten kaltes Huhn, Lachsbrote und Rotwein mitgebracht. Werner zog sich mit Naomi in die Kajüte zurück.
Jean drängte nun. Es war höchste Zeit für die Rückfahrt. Nadine fiel die undankbare Aufgabe zu, das Liebespaar zu stören. Bald erschien Werner mit glänzenden Augen, und ihm folgte Naomi. Werner ging mit Naomi zum Bug. Dort tuschelten sie, und dann rief Naomi nach Elise. Sie besprachen etwas, was wir anderen nicht verstehen konnten. Elise sah zu mir Her und nickte.
Werner kam mit den beiden Frauen wieder aufs Oberdeck. Er grinste.
„Alles klar", sagte er. „Capitaine Jean, du kannst ablegen."
Wir verabschiedeten uns von den vier Bikinischönheiten und kletterten wieder in
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