065 - Rendezvous mit dem Sensenmann
mitgebracht, aber keinen Revolver. Heutzutage, da wegen Flugzeugentführungen und Terroristenattentaten Passagiere und Gepäck gründlich durchsucht wurden, bereitete es große Schwierigkeiten, eine Schußwaffe an Bord eines Flugzeuges zu bringen.
Ich machte mir große Vorwürfe. Ich hätte mir längst einen Revolver besorgen, Vorkehrungen treffen und Werner und Naomi keinen Augenblick aus den Augen lassen sollen. Doch jetzt war es zu spät.
Jetzt verließ ich den Bungalow. Viele Bungalows in der Siedlung waren erleuchtet, und ich hörte Lachen und Musik.
Ich verließ das Bungalowdorf und fuhr die Küstenstraße entlang zum Plateau de la Garoupe. In einiger Entfernung von der Höhe stellte ich den Wagen ab und machte mich zu Fuß auf den Weg zur Villa. Werner hatte sich mit Naomi und Elise an einem Ort verabredet, der ein paar hundert Meter von der Villa entfernt war. Der Treffpunkt war ein Felsenhügel, deren Südostseite eine überhängende Wand bildete.
Kurz vor Mitternacht erreichte ich den Hügel und verbarg mich im Schatten der überhängenden Wand. Der Mond goß sein bleiches Licht über das Vorgebirge des Cap d'Antibes.
Ich wartete geduldig. Ich hoffte, daß Coco zusammen mit Elise kommen würde. Das deutsche Mädchen würde ihr meinen Gruß bestellt haben.
Der Zeiger meiner Rolex rückte weiter. Schon war es Viertel nach zwölf. Da sah ich eine weibliche Gestalt aus dem Schatten eines Hügels treten, auf dessen Westhang Bäume und Gestrüpp wuchsen.
Es war Elise. Ich erkannte ihr blondes langes Haar. Sie trug ihren Rucksack auf dem Rücken und sah sich suchend um.
Schon wollte ich aus dem Schatten treten. Da bemerkte ich, daß zu meiner Rechten ein Mann zwischen den Hügeln hervorkam. Es war Adolphe Guiata, der Friedhofswärter von Juan-les-Pins. Er trug etwas in der Hand. Es war mit einem Tuch umwickelt, und ich konnte es im Mondlicht nicht erkennen.
Ich wartete gespannt ab.
Elise erschrak, als sie den dunkel gekleideten Mann sah. Doch Adolphe beruhigte sie. Seine Worte mit unterwürfigen Gesten unterstreichend, redete er auf sie ein.
Elise sprach ein paar Minuten mit ihm. Er wickelte jetzt das Ding aus und gab es ihr. Es war eine Tonfigur, eine der kleinen Skulpturen, die er in seiner Hütte sammelte.
Elise nahm die Figur zögernd entgegen. Adolphe Guiata war ihr nicht ganz geheuer, und sie war froh, als er sie wieder verließ. Er verschwand im Hügelgelände. Elise kam näher.
„Hier bin ich", raunte ich, als sie noch ein paar Meter von mir entfernt war.
Sie stieß einen leisen Schreckensschrei aus.
„Keine Angst! Ich bin es, Dorian Hunter."
Sie trat nun zu mir. Aus der Nähe bemerkte ich, daß sie geweint hatte. Ich ließ mir von ihr die Tonfigur geben, nahm Elise an der Hand und führte sie ein Stück beiseite, für den Fall, daß Adolphe Guiata noch irgendwo in der Nähe war. Wir setzten uns auf einen bemoosten Felsblock.
Ich hielt Umschau, konnte aber weder Guiata noch sonst jemanden entdecken.
„Was ist geschehen, Elise?"
„Die vier alten Damen haben mich ertappt, als ich mich aus der Villa fortschleichen wollte. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Hausordnung. Sie wollten mich aber trotzdem bis zum Morgen in der Villa behalten. Da muß mich wohl der Teufel geritten haben. Irgend etwas brachte mich dazu, sie zu beschimpfen. Ich sagte, ich wolle keinen Augenblick länger bei ihnen bleiben. Ich packte meine Sachen zusammen, obwohl ich gräßliche Angst vor der Nacht hatte, und ging davon. Ich verstehe das nicht. Ich wollte gar nicht gehen, aber eine innere Kraft trieb mich dazu."
Ich konnte das verstehen. Sie hatte unter magischem Zwang gehandelt. Ein hypnotischer Befehl war es nicht gewesen, wie ich mir durch einige Fragen bestätigte.
„Wo sind Werner und Naomi?" wollte Elise wissen.
Ich sagte ihr, daß beide tot seien und daß meiner Meinung nach die vier alten Damen in der Villa an ihrem Tod schuld seien.
Elise starrte mich an.
„Das - das ist nicht wahr, Dorian. Naomi und Werner können nicht tot sein. Du machst Scherze." „Über solche Dinge mache ich keine Scherze. Ich will den Teufelsspuk in der Villa beenden. Dazu mußt du mir alles sagen, was du weißt."
Elise begann, bitterlich zu weinen. Ich legte den Arm um sie, tätschelte ihre Schulter und sprach beruhigend auf sie ein. Sie tat mir leid, aber ich hatte ihr den Schock nicht ersparen können.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefaßt hatte.
„Ist deine Vogelscheuche fertig?"
„Ja, Coco, hat
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