065 - Überfallkommando
Gesicht, als sie an die Szene erinnert wurde, die sie so sehr bereute.
»In den Büchern kann man lesen, wie diese Leute Tränen der Reue vergießen, ihre Untaten bereuen und dann für ein paar Groschen die Stunde Holz hacken, um ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise zu erwerben. Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, nicht wahr?«
Er war liebenswürdig und freundlich zu ihr, als ob nichts zwischen ihnen vorgefallen wäre.
»Ich wollte Sie eigentlich sprechen«, fuhr er fort. »Wie ich höre, spukt hier ein geigenspielender Geist herum?«
»Warum verhaften Sie ihn denn nicht?« fragte sie. Nach der Befangenheit über dieses unerwartete Wiedersehen erlangte sie allmählich ihre Selbstbeherrschung wieder.
»Das Verhaften von Geistern ist gegen die Dienstvorschrift. Sie haben den alten Li Yoseph wohl nicht zu Gesicht bekommen?«
Das Gespräch kam ins Stocken, aber sie zögerte immer noch.
»Woher wissen Sie denn, daß ich im Versorgungsheim war?«
»Ich bin ihnen dorthin gefolgt«, gab er offen zu. »Auch auf Ihrem Heimweg habe ich Sie begleitet. Sie wundern sich, daß ich vor Ihnen hier ankam? Sie sind am Marble Arch aufgehalten worden, während ich mit meinen Polizeiwagen durchfahren konnte.«
Sie lächelte schwach.
»Was haben Sie eigentlich gemacht - seitdem ich Sie zuletzt gesehen habe?«
»Ich habe inzwischen Einbrecher gefangen.«
»Sicherlich sind Sie auch ihnen gegenüber sehr milde und nachsichtig gewesen«, sagte sie ironisch.
»Gutmütigkeit ist meine Hauptschwäche«, entgegnete er ebenso. »Es gibt für mich kein größeres Glück, als einen Schwerverbrecher zu fangen, ihn in eine schöne, luftige, geräumige Zelle zu transportieren, ihn gut zu versorgen, zu Bett zu bringen und seine Hände zu streicheln, bis er sanft eingeschlafen ist.«
»Und dann gehen Sie hin und beseitigen alle Beweise gegen ihn, schaffen seine Diebeswerkzeuge weg und behaupten, daß Sie überhaupt nichts gefunden haben.«
Er lachte wieder.
»Ja, es ist merkwürdig. Ich habe nun einmal einen solchen Charakter. Wenn ich einen Verbrecher vor Gericht zur Verurteilung gebracht habe und er zwanzig Jahre bekommt, dann bin ich selbst so erschüttert, daß ich mich in den Schlaf weinen muß.«
Er schaute an ihr vorbei. Gleich darauf tauchten die Scheinwerfer eines großen Autos auf, das sich schnell auf sie zubewegte und dann dicht vor ihnen hielt.
»Gute Nacht, Miss Ferryman. Ich muß noch einen Auftrag erfüllen.«
Gleich darauf stieg er in den Wagen, und Ann trat in das Haus. Sie fühlte sich merkwürdig leicht und froh.
Kapitel
15
Mark McGill verfügte über noch mächtigere Hilfsmittel als über Tiser und seine Herberge. Der plumpe Überfall auf Bradley war noch die geringste Folge von Marks Feindschaft; gefährlicher war schon ein Unfall, der hervorgerufen wurde durch die heimliche Entfernung einer Radschraube an dem Wagen des Polizeiinspektors. Als er mit einer Geschwindigkeit von etwa siebzig Kilometern auf der Great West Road entlangfuhr, löste sich eines der Vorderräder - und nur durch ein Wunder wurde die Besatzung vor schwerem Unheil bewahrt. Es war kein zufälliger Unglücksfall, das zeigte schon eine oberflächliche Prüfung der gelösten Schraube.
Scotland Yard war stark beunruhigt durch das Überhandnehmen von Gewalttätigkeiten im ganzen Land. Ein bewaffneter Einbrecher ist eine seltene Erscheinung in England; gewöhnlich ist er ein ungeschickter Laie. Aber nun tauchten fast überall bewaffnete Verbrecher auf.
Bradley kannte die Verbrecher so gut wie sich selbst. Er kannte sie in all ihrer Häßlichkeit und fand nichts Gutes an ihnen. Er machte sich über den Charakter dieser Leute keine Illusionen mehr, denn seine Erfahrungen hatten ihn gelehrt, was er von ihnen zu halten hatte. Er verachtete sie weder, noch haßte er sie; aber er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, diese Schädlinge aus der menschlichen Gesellschaft auszumerzen.
Bradley nahm eines Tages an einer Konferenz teil, die im Polizeipräsidium abgehalten wurde.
»McGill hat augenblicklich in seiner Tätigkeit stark nachgelassen - zur Zeit macht er keine Geschäfte. Die Verhandlung gegen Miss Perryman wird ihn wohl abgeschreckt haben«, sagte er, »Es ist wirklich schade, daß Sie nicht einen seiner Helfershelfer dazu bringen können, ihn zu verraten«, meinte sein Vorgesetzter.
Aber der Polizeiinspektor schüttelte den Kopf.
»Sie haben alle so große Furcht vor ihm, daß sich niemand finden wird, der gegen ihn aussagt.
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