065 - Überfallkommando
Sie dies, Mark?«
Er erkannte einen kleinen Browning.
»Aber warum tragen Sie denn eine Schußwaffe bei sich?« fragte er atemlos.
Sie antwortete ihm nicht.
»Wenn Sie mir das nächste mal zu nahe kommen, schieße ich Sie nieder!«
Ihre Stimme klang stahlhart, und Mark erschrak.
»Sie machen eine Szene wegen nichts«, sagte er schließlich.
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür.
»Für mich ist es bedeutungsvoll genug«, erwiderte sie und verließ das Zimmer.
Im Flur traf sie Mr. Sedeman, den großen, alten Mann mit der patriarchalischen Gestalt. Als sie ihn sah, vergaß sie für einen Augenblick ihren Ärger.
»Guten Abend, meine liebe Miss Ferryman«, sagte er in seiner vornehmen Weise. »Sehen Sie, nun bin ich wieder aus dem Gefängnis heraus. Sie hatten tatsächlich damals Glück.«
Sie lachte.
»Wenn ich Sie höre, fühle ich mich als Ihre Leidensgenossin, Mr. Sedeman. Es tat mir so leid, daß man Sie verurteilt hatte.«
»Sie kennen ja die Polizei auch, meine Liebe. Die Leute machen vor nichts halt, und es ist ihnen ganz gleich, ob sie die Existenz eines braven, ehrenwerten Menschen vernichten. Ich werde noch einmal ein Buch darüber schreiben«, fügte er ernst hinzu.
Mark kam auch auf den Gang heraus. Obwohl im Mr. Sedeman nicht willkommen war, freute er sich im Augenblick doch über seinen Besuch, da Ann dadurch in andere Stimmung gebracht wurde. Sie hatte etwas für diesen alten Sünder übrig und trat wieder mit ihm in das Wohnzimmer ein, ohne daß Mark sie besonders dazu auffordern mußte. Sie sah Marks Erleichterung und lächelte.
»Haben Sie Ihren Hausmeister fortgeschickt?« fragte Sedeman harmlos. »Er war ein netter Kerl - er bot mir früher immer etwas an.«
Mark zeigte auf den Schrank.
»Dort finden Sie etwas zu trinken. Wo wohnen Sie jetzt?«
»Ich habe es aufgegeben, in der Herberge zu logieren, und habe ein anderes Quartier. Der Mann meiner Wirtin ist allerdings schon wieder recht beleidigend zu mir gewesen. Ich mag sie ganz gern, aber Sie müssen nicht denken, daß etwas Unrechtes passiert ist.«
Offensichtlich wollte er McGill allein sprechen. Als Ann eine Bemerkung darüber machte, gab Sedeman dies auch ohne weiteres zu. Wenn es sich um geschäftliche Dinge handelte, machte er wenig Umstände. In der Tür drehte sie sich noch einmal um.
»Haben Sie gehört, Mark, was Mr. Sedeman über das Zusammenleben mit einer hübschen Frau in derselben Wohnung sagte?«
Sie wartete nicht auf die Antwort, sondern schloß die Tür hinter sich.
»Was wünschen Sie?« fragte Mark in seinem unfreundlichsten Ton, als sie allein waren.
»Ich möchte ein wenig pekuniäre Unterstützung haben. Am Montag muß ich eine große Rechnung zahlen - es ist für meinen Arzt .«
Mark kniff die Augen zusammen.
»Wie lange soll das noch so weitergehen?«
»Ich hoffe, daß es so schnell kein Ende nimmt«, entgegnete Mr. Sedeman fromm.
Mark sah ihn wütend an, aber sein Besucher schien das nicht zu bemerken.
»Denken Sie denn, ich gehöre zu den Leuten, die sich dauernd erpressen lassen? Ich glaube überhaupt nicht, daß Sie damals in Lady's Stairs etwas gesehen haben.«
»Habe ich auch nicht behauptet, aber ich war zu der Zeit im Haus. Sie wußten es nicht, bis ich es Ihnen später erzählte. Ich habe für den lieben alten Li immer die Botengänge gemacht. Soviel ich weiß, wollte er an jenem Abend noch einen höchst wichtigen und interessanten Brief nach Scotland Yard schicken. Geradeheraus gesagt, es war eine Anzeige. Ich wartete unten .«
»Li Yoseph ging aus«, sagte Mark langsam.
»Ich habe ihn gehört«, erwiderte Sedeman ruhig. »Er hat das Haus mit großem Spektakel verlassen!«
McGill ging zu der Tür und vergewisserte sich, daß Ann sie fest geschlossen hatte.
»Ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, daß ich mit Ihnen auch einmal sehr schnell zu einem Ende kommen kann, wenn ich mit Li Yoseph fertig geworden bin?«
Mr. Sedeman murmelte etwas von ›Respekt vor dem Alter‹.
»Ich weiß, daß Sie nur alles vermuten. Aber nehmen wir einmal an, Ihre Vermutung wäre richtig, und Tiser würde alles anzeigen. Ist es Ihnen klar, daß Sie dann selbst bis über die Ohren in der Geschichte stecken?«
Mr. Sedeman sah sich unbehaglich in dem Zimmer um.
»Mr. Tiser wird niemals eine solche Schurkerei begehen. Ich kann mir wenigstens nicht vorstellen, daß er gegen den Mann, dem er alles verdankt, etwas unternimmt.«
Mark lächelte.
»Nun erscheint Ihnen die Sache doch in einem anderen
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