0654 - Wo Deborah den Teufel trifft
der Stelle fuhr sie herum und schaute dorthin, wo sich die Schwärze ballte und aus ihr das bräunliche Gerippe in die Höhe stieg. Dort hockte die Gestalt.
Deborah Caine ging einfach davon aus, dass es der Teufel war. Kein anderer besaß wohl das Aussehen wie diese dämonische Gestalt.
Er hockte geduckt auf einem pechschwarzen Pferd. Von seiner eigentlichen Gestalt war nicht viel zu sehen, denn sie wurde durch einen ebenfalls pechschwarzen Umhang verborgen. Der größte Teil des Kopfes lag unter einer Kapuze versteckt und vom Gesicht sah Deborah nur die schmalen orangefarbenen Augen.
In der rechten Hand hielt die Gestalt eine Lanze, die nicht nur eine Spitze hatte. Direkt darunter zweigte die Schneide einer matt schimmernden Axt ab.
Eine fürchterliche Waffe, ebenso schlimm wie das Schwert.
Deborah Caine verspürte keine Furcht. Hier war der Platz, wo sie den Teufel traf, hier fühlte sie sich wohl. Und das Lob aus seinem Mund hatte ihr gut getan.
Der Gaul, ebenfalls mit feurigen Augen versehen, rührte sich nicht von der Stelle. Er und die Gestalt schienen miteinander verwachsen zu sein. Sie gehörten zusammen.
Es dauerte eine Zeit, bis sich Deborah zu einer Antwort aufraffen konnte. »Du siehst, ich habe all deine Wünsche erfüllt. Sag mir nun, wie es weitergeht.«
»Es war erst der Beginn, meine liebe Freundin. Noch ist es Übung gewesen.«
»Nein, ich habe doch…«
»Ja, du hast den jungen Mann getötet. Damit hast du eine Probe bestanden. Die wirklichen Probleme werden folgen und ich bin sicher, dass du sie auch lösen wirst.«
»Ich vertraue dir.«
»Das musst du auch.« Wie zum Gruß hob er seine Waffe an und bewegte seine Schenkel.
Das Pferd reagierte. Auf der Stelle machte es kehrt und der Teufel ritt davon.
Deborah Caine schaute der Gestalt hinterher. Sie ritt wieder auf den Schattenberg zu, der sie schluckte und sich gleichzeitig mit ihm vereinte.
Deborah war wieder allein, doch sie brauchte sich keine Gedanken um den Rückweg zu machen, denn der Boden unter ihren Füßen begann plötzlich zu fließen, sich zu bewegen.
Alles befand sich in Fluss.
Der Himmel, die Landschaft, selbst der Kopf des Hingerichteten blieb nicht mehr ruhig.
Und dann senkte sich der Vorhang. Er kam wie eine gewaltige Wolke, die alles verschlang.
Auch Deborah Caine…
***
»Bitte, Debbie, bitte, wach auf! Was ist denn los mit dir? Du bist ja völlig nass.«
Es war eine Stimme, die aus unendlich weiter Ferne durch das Bewusstsein der Frau drang, das von einem dichten Ring aus Watte umlagert wurde.
Wer hatte da gesprochen?
Sie wusste es nicht, überlegte scharf und erinnerte sich daran, dass sie die Stimme kannte.
Sie öffnete die Augen.
Über ihr schwebte ein Gesicht. Sie sah die männlichharten Züge, die dunklen Augen, das ebenfalls dunkle Menjou-Bärtchen auf der Oberlippe und die etwas hoch gezogenen Augenbrauen, die dem Gesichtsausdruck einen leicht spöttischen Ausdruck gaben.
Das war er, Mason Rafferty.
»Ma - Mason?«, flüsterte sie tonlos. »Mason, bist du es?«
»Klar, Darling. Wer sonst…?«
Sie zögerte, den nächsten Satz auszusprechen, sagte ihn aber trotzdem. »Du - du bist doch tot…«
Da lachte er. »Was soll ich sein? Tot? Sieht so ein Toter aus, Debbie? So wie ich?«
»Nein, nicht.«
»Wie kannst du dann so etwas sagen!«
Sie lag auf dem Kissen und spürte, dass es feucht durch ihre Tränen geworden war. »Es war so schlimm, Mason, so schrecklich. Ich habe grauenhafte Dinge erlebt.«
»Und welche?«
»Bitte«, flüsterte sie und wollte den Kopf zur Seite drehen. »Ich kann es dir nicht sagen.«
»Hast du Geheimnisse?«
»Nein…«
»Dann rede doch!«
»Bitte«, flüsterte Debbie. »Du - du wirst mich für verrückt halten, wenn ich dir das sage…«
»Nein, Darling. Ich bin verrückt.« Er lächelte sie an. »Ich bin verrückt, und zwar nach dir.«
»Bitte, keine Scherze jetzt.«
»Es ist die Wahrheit.«
»Gut, ich nehme sie hin. Aber, Mason, ich habe dich getötet. Ich habe dich umgebracht.«
»Ach ja?«
Debbie atmete seufzend. »Du glaubst mir nicht, Mason, das merke ich schon. Es ist auch schwer.«
»Ich glaube dir alles, Darling.« Er beugte sich über sie und berührte mit seinen Lippen ihre linke Wange. »Du musst es mir nur erzählen.«
Bei der Berührung seiner Lippen hatte sie für einen Moment ein strahlendes Glücksgefühl gespürt, das aber wieder verschwand, wenn sie daran dachte, welch seelische Strapazen sie in der letzten Zeit mitgemacht hatte.
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