0656 - Labyrinth der 1000 Tode
gereichen. Jedenfalls sah ich keine Menschen, die schattengleich in unsere Richtung huschten. Ich winkte Joanna zu.
Mit vorsichtigen Schritten verließ sie den Fahrstuhl, wurde von mir an die Hand genommen und weiter gezerrt. Zum Glück trug ich meine Karte bei mir, die mir die Schranke öffnete.
»Wo steht denn der Wagen?«
»Kommen Sie!«
Ich hatte ihn zufällig günstig geparkt, sodass ich nicht erst eine Runde drehen musste, um die Ausfahrt zu erreichen. Es war ein kleiner dunkelblauer Seat. Für die oft superengen Gassen Lissabons gerade richtig. Damit kam ich auch durch kleine Lücken.
So leise wie möglich stiegen wir ein, schlossen auch die Türen leise. Ich kurbelte die Scheibe nach unten.
Noch hatte sich niemand gezeigt. Das Geräusch des startenden Motors klang überlaut in der Stille und ich zuckte auch zusammen. Joanna hockte schmal und verängstigt neben mir.
Auch ich fühlte mich nicht besonders wohl in meiner Haut, sagte zu der Frau nichts, sondern nickte ihr zu. »Wir schaffen es schon.«
»Wenn Sie das sagen.«
Ohne Licht rollten wir an. Einen kleinen Bogen musste ich schon fahren. Der glatte Boden warf den Widerschein der Lampen zurück wie ein schmutziger Spiegel. Das Licht schien dort heller, wo sich auch die Ausfahrt befand. Die rotweiße Schranke lag waagerecht.
Davor befand sich der Apparat für die Karte.
Ich steckte sie in den Schlitz.
Sofort schwang die Barriere hoch. Neben mir atmete Joanna tief durch und umfasste für einen Moment meine rechte Hand mit leichtem Druck. »Wenn wir eine Telefonzelle sehen, werde ich meine Tante anrufen, John. Das muss ich einfach.«
»Nichts dagegen.«
Ich lenkte den Wagen die Einfahrt hoch. Sie bestand aus einer einzigen Kurve, die neben dem hohen Hotelkasten in einen Platz mündete, wo ebenfalls Fahrzeuge abgestellt waren, die nicht mehr in die Tiefgarage hineingepasst hatten.
»Wohin jetzt?« fragte ich und hielt an, um mich umzuschauen.
»Sie kennen sich in der Stadt nicht aus?«
»So ist es.«
»Ich bin auch keine besonders gute Fremdenführerin«, gab sie zu. »Klar, ich kenne die touristischen Aussichtspunkte, aber…«
»Es gibt viele Möglichkeiten, nicht?«
»Und wie. Wir können mit dem Elevadore - dem Aufzug - in die Oberstadt Bairro Alto fahren. Dort kannst du über Lissabon hinwegschauen, ein wahnsinniges Panorama.« Sie war einfach zum Du übergegangen und ich hatte nichts dagegen.
»Als Tourist fühle ich mich nicht gerade. Was schlägst du sonst noch vor?«
Während meiner Frage schaute ich in die Runde. Der Hoteleingang war von uns aus nicht zu sehen.
»Dann fahren wir in die Alfama. Es ist der älteste Teil der Stadt. Er liegt am Tejo, am Strom. Richtig aufgeblüht ist er da, als die Mauren, die Lissabon 711 eroberten und…«
»Um Himmels willen, keine Historie. Wir müssen weg.« Ich schaute sie an. »Kommen wir dort überhaupt mit unserem Wagen durch?«
»Es ist schon eng.«
»Okay, versuchen wir es.«
Ich startete und schaltete jetzt das Licht ein. Es schob sich vor unserem Wagen her wie ein Schleier und vereinigte sich sehr bald mit den Streulichtern, die die große Auffahrt vor dem Eingangsportal beleuchteten.
Dort herrschte auch am Abend Betrieb. Gäste kamen an. Livrierte kümmerten sich um das Gepäck, dafür hatte ich keinen Blick. Dass Nando Morcotes Männer aufgeben würden, daran wollte ich einfach nicht glauben. Die machten weiter bis zu unserem bitteren Ende.
Leider mussten wir über die Auffahrt rollen. Joanna hatte sich geduckt, ich so gut wie möglich, aber ich musste lenken und war froh, als wir wieder in die Dunkelheit hineinfuhren, wobei nur noch die Randlichter der Ausfahrt ihren Schein abgaben.
»Geschafft?«, fragte Joanna.
Ich schaute in den Spiegel. Hinter uns bewegten sich einige Scheinwerfer. Ob sich Verfolgerwagen darunter befanden, das wusste ich nicht.
»Du hast mir noch keine Antwort gegeben, John.«
»Ich hoffe es.«
»Okay, ich sage dir den Weg.«
Dass dieser Abend sich dermaßen entwickeln würde, damit hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Und bisher hatte ich den großen Dreher und Lenker im Hintergrund nicht einmal zu Gesicht bekommen. Dass sich dies allerdings ändern würde, stand für mich ebenfalls fest.
Zugleich dachte ich an Suko. Er war wie vom Erdboden verschluckt, hoffentlich nicht für immer…
***
Suko war unwillkürlich zurück und in die Deckung der Dunkelheit gesprungen, als sich der Roboter oder Kunstkörper vor seinen Augen unter
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