0656 - Labyrinth der 1000 Tode
Nando Morcote. Ich kenne seinen Einfluss noch nicht genau, weiß aber, dass er seine Finger in vielen Bereichen stecken hat. Ich halte einen Teil meiner portugiesischen Kollegen für von ihm beeinflusst.«
»Das haben Sie gut gesagt, John. So kann man das Wort Bestechung umschreiben.«
»Möglich.«
»Aber der Tote muss weg.«
»Das versteht sich. Wir werden auch eine Möglichkeit finden. Damit meine ich nicht Sie und mich, sondern denke mehr an meinen Kollegen Suko. Wenn ich ihn gefunden habe, sehen wir weiter.«
»Und was geschieht mit mir?«
»Sie werden wieder nach unten zu Ihrer Tante gehen und sich ruhig verhalten.«
Wieder schaute mich die Frau so ungewöhnlich an und ich wusste nicht, wie ich ihren Blick deuten sollte. »Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, John, aber könnte es nicht sein, dass auch wir uns in Gefahr befinden? Man wird Sie an unserem Tisch gesehen haben. Wir sprachen miteinander und die andere Seite kann sich vorstellen, dass wir nicht über das Essen oder Trinken geredet haben.«
»Ist das Ihre tatsächliche Meinung, Joanna?«
»Ja, so denke ich.«
»Da werden Sie möglicherweise nicht Unrecht haben. Es bliebe die Abreise.«
»Jetzt sofort?«
Ich hob die Schultern. »Es kommt zwar etwas überraschend für Sie, doch da müssen Sie durch.«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Davon müsste ich erst meine Tante überzeugen.«
»Tun Sie das.«
Joanna verzog die Lippen. »Entschuldigen Sie, wenn ich im Beisein des Toten lächle, aber meine Adoptivmutter davon zu überzeugen, dass wir abreisen müssen, ist schwerer als schwer. Ich glaube kaum, dass mir das gelingen wird. Sie ist sehr neugierig. Wenn Sie einmal Blut geleckt hat, will sie auch weitermachen.«
»Versuchen Sie es trotzdem.«
»Und Sie, John?«
»Ich werde der Höhle des Löwen einen Besuch abstatten, wenn möglich. Sie haben von der Suite gesprochen, die für Nando ständig reserviert ist.«
»Ja, die liegt unter dem Dach.«
»Da fahre ich hin.«
Joanna räusperte sich. »Meinen Sie, dass so etwas gut geht?«
»Das weiß man vorher nie. Nur sind mein Freund und ich nicht hergekommen, um hier Ferien zu machen. Wir haben einen Job zu erledigen und das werden wir durchziehen.«
»Gut, John, dann machen wir es so.« Sie bedachte den Toten mit einem letzten scheuen Blick, bevor sie sich umdrehte und auf die Zimmertür zuging.
Ich folgte ihr. Natürlich drehten sich meine Gedanken um den schlimmen Mord. Hatte der Mann nur sterben müssen, weil es ihm nicht gelungen war, Mich auszuschalten?
Alles wies darauf hin, und dieser Mord erklärte mir auch, wie grausam Morcote letztendlich reagierte, wenn jemand aus seinem Kreis einen Fehler beging.
Joanna Lancaster verließ das Zimmer vor mir. Sie schaute sich um, als sie den breiten Gang betrat. Die Flure in den internationalen Grand Hotels sind tatsächlich noch richtig breit und keine engen Schläuche wie in manchen Schlafburgen der großen Hotelketten.
Wir befanden uns nicht allein. Ein Butler war erschienen. Er schob einen Wagen vor sich her. Es war wie im Kino. Auf dem Wagen stand ein vergoldeter Champagnerkühler, aus dem der Hals einer Flasche hervorschaute. Der Butler trug die übliche Streifenweste und eine schwarze Hose. Er war ein Farbiger, ein Mulatte mit einer außergewöhnlich dicken Unterlippe, wie ich sehen konnte, als er in den Lichtschein eines Lüsters trat. Uns beiden gönnte er nicht einen Blick. Ich schloss die Tür ab, als er sich fast mit uns auf gleicher Höhe befand.
Beim Aufrichten hatte er uns erreicht. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Joanna auf den Wagen schaute, ihn aber nicht zu sehen schien, denn sie war in Gedanken versunken.
Der Mann hielt an.
Ich ging einen Schritt vor.
In diesem Augenblick griff er gedankenschnell in den Champagnerkübel. Das alles hätte aus einem Bond-Film sein können, so inszeniert wirkte die Szene.
Aber sie war echt, wie auch der Revolver mit dem langen Schalldämpfer.
Der Mulatte grinste, als er den Arm herumschwang. Eine halbe Sekunde später grinste er nicht mehr, denn sein Gesicht verzerrte sich, als er den hämmernden Stoß zwischen seinen Beinen spürte, wo ihn die Kante des fahrbaren Tischs getroffen hatte. Ich hatte den Tisch gedreht und gleichzeitig vorgerammt.
Die Waffe geriet aus der ursprünglichen Richtung. Der Mann feuerte noch, aber die Kugel hieb nur ein Loch in den Putz der Decke.
Ich rammte den Wagen weiter, zerrte die gefüllte Flasche aus dem Kühler und schlug sie dem
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