0659 - Die indische Rache
gehe.«
»Und nehmen Sie auch Helen Dexter mit.«
»Wollen Sie denn allein…?«
»Ja, nur ich und Sira.« Da die Schwester noch immer die Tür versperrte, drückte ich sie zurück, so daß mein Weg frei war. Ich schritt in den Gang und schaute nach links, wo auch das Zimmer der Glenda Perkins lag. Etwa auf halber Strecke stand Helen Dexter.
»Kommen Sie.« Ich winkte ihr zu. »Sie können nicht mehr bleiben. Es geht nur um Sira und mich.«
Helen ging zwei Schritte auf mich zu. Dann blieb sie stehen, schüttelte den Kopf. Mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen schaute sie mich an.
Nein, sie brauchte nichts zu erklären. Dieser Blick und ihr gleichzeitiges Gehabe sagten mir alles.
Helen Dexter war nicht mehr sie selbst. In ihr steckte jemand.
Sie flüsterte, als sie die Worte an mich richtete. »Nur wir beide, Sinclair, nur wir beide…«
Auch Schwester Betty hatte sie reden gehört. Als sie etwas sagen wollte, erstickte meine scharfe Handbewegung ihren Kommentar bereits im Keim. »Gehen Sie, Schwester. Sie haben doch gehört, daß es nur um Sira und mich geht!«
»Ja - ja…«, es war nur ein Stammeln, was sie hervorbrachte. »Sie haben ja recht.«
Ich schaute nicht hin, wie sie verschwand, weil ich meine Konzentration brauchte.
Helen hatte sich nicht verändert. Sie war nicht aufgedunsen oder rot angelaufen, nur ihr Mund stand offen, ohne daß jedoch ein Plasmastreifen daraus hervorgedrungen wäre.
»Wohin?« fragte ich.
»In ihr Zimmer!«
Das hatte ich mir gedacht. Sira wollte es auf die Spitze treiben und dabei gewinnen.
»Ja, ich werde hineingehen.« Mit gesenktem Kopf begab ich, mich auf den Weg.
In den übrigen Zimmern war es still. Kein Laut drang durch die dicken Türen nach draußen.
In mir spürte ich so etwas wie ein wildes Fieber, das mir das Blut in den Kopf trieb. Auch mein Herzschlag hatte sich beschleunigt. In den nächsten Minuten würde sich entscheiden, ob Glenda am Leben blieb oder endgültig starb. Allein mit diesem Wissen fertig zu werden, zerrte an meinen Kräften.
Helen/Sira trat einen Schritt zur Seite, um mich nicht zu behindern. Ich passierte sie und brauchte nur mehr wenige Schritte zu gehen, bis ich die Tür erreicht hatte.
Bevor ich das Zimmer betrat, schaute ich zurück. Helen kam hinter mir her, nickte und zeigte mir damit an, das Krankenzimmer endlich zu betreten.
Glenda lag so, wie ich sie verlassen hatte. Die dunkelhaarige Frau hatte nicht das gleiche Schicksal erlitten wie der Arzt. Dankbar konnte ich Sira deswegen nicht sein, denn sie verfolgte weitaus schlimmere Pläne. Sehr behutsam schloß Helen die Tür.
Ich hatte mich gedreht, damit ich der Person entgegenschauen konnte. Zwischen uns war die Luft plötzlich geladen. Unsichtbare Funken schienen zu tanzen. Sie setzten sich auch auf meiner Haut fest, wo ich das Kribbeln spürte.
Schweiß bedeckte meine Handflächen. Wenn ich Luft holte, fiel es mir schwer. Der Druck in meiner Brust verstärkte sich. Ich war längst nicht so cool, wie ich möglicherweise den Eindruck machte.
Helen drehte den Kopf, so daß sie Glenda anschauen konnte. Freiwillig tat sie es sicherlich nicht, und freiwillig begann sie auch nicht zu sprechen. »Ich hoffe, daß ich überzeugend genug war, John Sinclair«, erklärte Sira mir.
»Wie meinst du das?«
»Du hast den Toten gesehen.«
»Stimmt.«
»Das gleiche kann auch mit Helen und natürlich mit Glenda geschehen. Darüber solltest du dir im klaren sein.«
»Bin ich. Aber ich möchte noch von dir wissen, wie deine weiteren Pläne aussehen.«
Hoffentlich war sie bereit, mir eine Antwort zu geben. Es dauerte zwar seine Zeit, dann aber nickte sie. »Ja, ich werde es dir sagen. Wenn ich hier alles erledigt habe, kehr' ich zurück in die Maske des Jama. Sie ist mein Schutz.«
Fast hätte ich gelacht. »Moment, die habe ich…«
»Es gibt sie noch einmal. Nicht in Indien, hier in London. Und sie besitzt auch seine Kraft. Nur wenige Personen wissen von ihr. Nur Eingeweihte kennen den Stützpunkt. Es ist die lebende Maske des Totengottes, die kann sich ebenso bewegen wie ich, denn sie ist perfekt, John Sinclair. Perfekt und gleichzeitig unbesiegbar. Hast du verstanden?«
Ich nickte ihr zu. »Irgendwo schon. Du wirst dich also in sie zurückziehen und dich wieder auf den Weg nach Indien begeben. Habe ich damit recht?«
»Absolut!« Es war nicht Helens Stimme, die mit mir sprach. Die aus ihrem Mund dringenden Worte bestanden zumeist aus einem scharfen, bösen Flüstern,
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