0659 - Die indische Rache
gesprochen in einem Tonfall, in dem zusätzlich noch der blanke Haß mitschwang. »Ich möchte nicht mehr lange hier bei dir bleiben, die anderen Aufgaben warten. Deshalb werden wir jetzt den Tausch vornehmen. Noch einmal, Sinclair. Erinnere dich an das Bild des toten Arztes. So wird es deiner Glenda und der Person, in der ich mich befinde, ebenfalls ergehen, wenn du nicht auf meine Bedingungen eingehst.«
»Ich habe verstanden!«
»Gut, dann gib mir das Blatt!«
Auf diesen Befehl hatte ich gewartet. Jetzt kam es darauf an, ob mein Plan sich erfüllte oder nicht.
Ich streckte meine Arme zur Seite, eine Geste, die Helens/Siras Wehrlosigkeit veranschaulichte.
»Du kannst mich durchsuchen«, sagte ich, »aber du wirst das Blatt nicht mehr finden, weil ich es nicht habe.«
Helen/Sira stieß einen Laut aus, der mich an ein wütendes Knurren erinnerte. »Willst du es auf die Spitze treiben, Sinclair?«
»Ich trage sie tatsächlich nicht bei mir.«
»Wo ist sie dann?«
»Ich habe sie versteckt, und zwar dort!« Mit dem ausgestreckten Zeigefinger wies ich auf den quadratischen Tisch mit der Decke. »Darunter befindet es sich.«
»Warum?«
»Ein Versuch.«
Helen setzte sich in Bewegung, getrieben durch den Geist der verfluchten Totenfrau.
Ich rührte mich nicht. Selbst Glenda Perkins war in diesen Augenblicken vergessen. Mein Interesse galt einzig und allein dieser verfluchten Person, die sich dicht am Ziel ihrer Wünsche sah und endlich das Palmblatt an sich nehmen konnte.
Vor dem Tisch hielt sie inne. Noch einmal drehte Helen den Kopf. Dabei zeigte ihr Gesicht eine Veränderung. Es sah aus, als würden die Augen allmählich aus den Höhlen treten wollen. So etwas Ähnliches hatte ich bei dem toten Arzt gesehen.
Hatte Sira möglicherweise gespürt, daß…
Meine Gedanken stoppten. Mit einem Ruck zerrte sie die Tischdecke zur Seite - und griff zu.
Nach dem Blatt, aber auch nach dem Kreuz!
***
Es war einfach so schnell gegangen, daß sie sich nicht darauf hatte konzentrieren können. Das Kreuz strahlte zudem nicht ab, es lag in seinem matten Silberglanz da, und wer zu schnell hingriff, konnte es leicht übersehen.
Wie es eben auch Sira passiert war.
Heulte sie auf, oder war es Helen, die schrie? Ich wußte es nicht. Ich bekam nur mit, wie Sira/Helen zurücktaumelte und mit einem dumpfen Laut gegen die Tür prallte.
Dort blieb Helen stehen, während ich schon auf das Kreuz zuhuschte. Sira/Helen hatte es berührt.
Sie mußte etwas von seiner Kraft mitbekommen haben, doch sie verging nicht. Statt dessen fühlte sie sich in ihrem Gastkörper nicht mehr wohl. So weit wie möglich riß sie ihren Mund auf, so daß schon fast ein Maul entstand.
Helen würgte ihren Gastkörper hervor.
Es war furchtbar, wie sie sich quälte. Sie fiel auf die Knie, beugte sich nach vorn. Ich schaute zu, wie der Plasmastreifen aus dem Mund drang. Lautlos und sich allmählich formend.
Ich wagte nicht, eine Waffe einzusetzen. Helen sollte nicht in Gefahr gebracht werden. Erst wenn Sira ihren Körper verlassen hatte, konnte ich mich ihr stellen.
Mein Herzschlag hämmerte und erzeugte an den Rippen dumpfe Echos. Ich sah nicht einmal alles klar, denn die zweite Gestalt vernebelte mir das Sichtfeld.
Das Kreuz hielt ich fest, auf die Beretta konnte ich mich nicht verlassen, und sah plötzlich, wie sich die Gestalt drehte und dabei menschliche Formen annahm.
Auf einmal stand sie da!
Bleich, weißdurchsichtig, mit rötlichgrünen Augen - und bewaffnet. In der rechten Hand hielt sie ein Messer, das eine weiße, lange Klinge besaß, als bestünde sie aus vereistem Nebel.
Auf der linken Handfläche aber lag ein metallischer Gegenstand, der aussah wie eine Scheibe. Zur Mitte hin lief sie dicker zu, zu den Seiten war sie abgeflacht und höllisch scharf.
Human Lohare war mit dieser Waffe getötet worden, und nun setzte Sira sie gegen mich ein.
Als sie die Scheibe schleuderte, schrie Helen auf!
***
Suko und Singk hatte der Anblick dieser blutverschmierten Maske hart getroffen. Der Inder wich noch weiter zurück, streckte aber den Arm vor und flüsterte: »Jetzt holt sie auch uns…«
Das sah Suko nicht so. »Geh weiter weg! Raus aus der Gefahrenzone. Ich werde mich ihr stellen.«
»Wie denn?«
Suko kam zu keiner Antwort, denn die in Kopfhöhe und im Gang schwebende Maske griff an.
Es war eine blitzschnelle Attacke, schneller jedenfalls als ein Mensch reagieren konnte.
Nur gehörte Suko zu den wenigen Menschen, die durch ihr langes
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