066 - Zerberus, der dreiköpfige Tod
verzweifelt.
Der Tyrann lachte gehässig. »Warum nicht? Willst du deine Schwester nicht noch einmal sehen? Du mußt dich doch von ihr verabschieden.«
»Bitte!« knirschte Thoso. Verzweifelt senkte er den Kopf. » Bitte , Fujex!«
»Sieh einer an«, sagte Fujex spöttisch. »Der stolze Sklave kann bitten und demütig sein. Ich muß gestehen, eine Bitte aus deinem Mund hat für mich einen ganz eigenartigen Klang.«
»Laß mich von deinen Soldaten töten, oder töte mich selbst. Es ist mir egal, durch wessen Hand ich sterbe, aber laß meine Schwester dabei nicht zusehen. Tu ihr das nicht an.«
»Du wirst durch niemandes Hand sterben«, sagte Fujex.
Thoso schaute ihn verwirrt an.
»Ja, du hast richtig gehört«, sagte der Tyrann. »Aber das heißt nicht, daß ich dich begnadigen werde.«
Nein, Gnade war von Fujex nicht zu erwarten, das war Thoso von Anfang an klar gewesen. Er hatte damit auch nicht im entferntesten gerechnet. Gnade und Fujex - das paßte genausowenig zusammen, wie Feuer und Wasser.
»Bringt das Mädchen!« befahl der Tyrann scharf, und die Augen des jungen, kräftigen Mannes füllten sich mit Tränen.
Er liebte seine Schwester mehr als sein Leben, und er wußte, daß sie für ihn genauso empfand. Es war für sie entsetzlicher, ihn sterben zu sehen, als selbst das Leben zu verlieren.
Du grausamer Teufel! dachte Thoso und wollte aufspringen.
Was konnte ihm schon passieren, wenn er sich unverhofft auf den Tyrannen stürzte? Der Dolch saß nicht mehr an seiner Kehle. Wenn er sich auf Fujex warf, konnte er ihn vielleicht töten, bevor sie ihm das Leben nahmen.
»Du verfluchter Satan!« brüllte Thoso und sprang auf.
Aber im selben Moment traf ein harter Gegenstand - vielleicht der Griff eines Schwerts - seinen Hinterkopf, und er brach erneut zusammen. Diesmal schwer benommen.
Ein trüber Schleier hing vor seinen Augen, und durch diesen sah er, wie man seine Schwester zu Fujex führte.
Tteggi war ihr Name, und sie glich einem Engel. Ihr Haar war eine goldene Flut, die ein reines, zartes Gesicht umrahmte. Schlank und zerbrechlich wirkte sie, und auf ihre blassen Wangen glitzerten dicke Tränen.
»Thoso!« schluchzte sie.
»Tteggi«, preßte der Sklave zwischen den Zähnen hervor, und es gab ihm einen schmerzhaften Stich, der sein Herz durchbohrte.
»Sie ist sehr schön, deine Schwester«, sagte Fujex. »Ich werde mit ihr noch viel Spaß haben.«
»Du darfst sie nicht anrühren, du widerliches Scheusal!« schrie Thoso verzweifelt.
Fujex lachte. »Wer will mich daran hindern? Ich werde mit Tteggi viele Kinder zeugen. Ich muß meine Nachkommenschaft sichern. Mein Erbe ist groß. Tteggi wird mir Söhne schenken, die dieses Erbe übernehmen können.«
Thoso hielt sich die Ohren zu. Er brüllte. Keine Worte. Er brüllte einfach, um nicht mehr hören zu müssen, was Fujex sagte.
Fujex weidete sich an den Seelenqualen des Sklaven. Er erhob sich, griff in Tteggis volles Haar, riß das Mädchen an sich und küßte es gierig.
»Siehst du?« rief er mit drohender Stimme. »Es macht ihr Spaß. Und ich werde ihr heute nacht noch viel mehr bieten.«
Tteggi war so angewidert, daß sie sich mehrmals mit dem Handrücken über den Mund wischte. Aber sie hätte sich erniedrigt und sich überwunden, mit Fujex das Lager zu teilen, wenn sie damit das Leben ihres Bruders hätte retten können.
Doch sie wußte, das das unmöglich war.
Der Tyrann würde das Todesurteil unter keinen Umständen mehr rückgängig machen.
»Bindet sie an eine der Säulen!« befahl der Herrscher. »Das große Schauspiel soll beginnen.«
Sie rissen das weinende Mädchen herum und banden es mit Lederriemen an die Marmorsäule.
»Gebt ihm ein Schwert!« verlangte Fujex. Er grinste den Sklaven an. »Ich nehme an, du willst wie ein Mann kämpfen und sterben.«
Die Soldaten legten ein Schwert vor Thoso auf den Boden. Er war versucht, es zu ergreifen und damit auf den Tyrannen einzudringen. Konnte es ihm gelingen, Fujex' Herz zu durchbohren?
Er sah, daß die Soldaten auf der Hut waren. Es wäre ihm unmöglich gewesen, Fujex zu erreichen.
»Du bist sehr kräftig und sehr stolz«, sagte der Tyrann. »Ich muß gestehen, daß mir das ein wenig imponiert, deshalb sollst du von mir eine Chance bekommen, die du eigentlich nicht verdienst. Du darfst mit dem Schwert in der Hand dein Leben verteidigen. Solltest du siegen, kannst du gehen, wohin du willst.«
Thoso kniff ungläubig die Augen zusammen. Die Sache hatte bestimmt einen Haken.
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