0663 - Das Unheil erwacht
worden?«
»Leider nicht. Wenn du so fragst«, grinste er, »willst du sicherlich hinfahren.«
»Stimmt.«
Suko räusperte sich, sah nicht begeistert aus und hob die Schultern.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese beiden Personen etwas von dem Flüssigen Leben wissen.«
»Ich auch nicht. Aber von wem sollte er es dann gewusst haben?«
»Das ist wahr.«
Der Inspektor schlug die schmale Akte zu. »Okay, John, ich bin dabei. Fahren wir hin.«
Ich schaute auf die Uhr. »Jetzt noch?«
»Aber immer.«
»Dann nehmen wir deinen BMW.«
»Nur wenn ich fahren darf.«
»Nichts dagegen!« rief ich.
***
Eigentlich hätten die folgenden Tage nach dem Fund für Jade Prentiss zu einem Alptraum werden müssen, das jedoch trat nicht ein. Sie hatte unwahrscheinlich an Sicherheit gewonnen. Nachts, wenn sie im Bett lag und nicht einschlafen konnte, weil sie »Besuch« von gewissen Stimmen bekam, da flüsterte man ihr ein, dass sie sich nie mehr zu fürchten brauchte, denn nun hielt sie das Flüssige Leben bei sich.
Der letzte Vergleich stimmte nicht.
Sie trug es nicht immer bei sich, sondern hielt es versteckt. Das Haus besaß noch einen alten Keller, ein kleines Reich für sich, düster und modrig. Dort gab es zahlreiche Verstecke, die Jades Mutter nie besuchen würde, die für die junge Frau aber sehr wichtig waren. Und in einem der Verstecke hatte sie ihren unglaublichen Fund untergebracht.
Dann war die Leiche des Ernest Slaine gefunden worden. Spaziergänger hatten sie entdeckt und natürlich die Polizei alarmiert. In den nächsten beiden Tagen war die Ruhe dahin. Es wimmelte nur so von Polizisten, die Fragen stellten und natürlich wissen wollten, ob der Mörder gesehen worden war.
Alma Prentiss konnte ihnen nichts sagen, und ihre Tochter wollte nichts sagen.
Jade schaffte es sogar, sich zu verstellen. Sie spielte die Trauernde, denn sie hatte Ernest Slaine tatsächlich gekannt. In ihrem Innern aber lachte sie.
Schließlich waren die Polizisten wieder abgezogen. Sehr ratlos, denn mit einem Toten ohne Blut konnten sie nichts anfangen.
Jade und ihre Mutter hatten darüber gesprochen. Alma Prentiss wünschte, dass ihre Tochter nicht mehr allein in den Wald ging. Ihr sollte nicht das gleiche passieren wie dem Forstbeamten.
»Keine Sorge, ich bleibe. Mum.«
An das Versprechen hielt sich Jade auch, obwohl sie auch weiterhin mit der übrigen Welt in Kontakt stand, denn es gab noch den in London wohnenden Bruder Larry.
Der Kontakt zu ihm war nie abgerissen, obwohl Jade genau wusste, wie er sein Geld verdiente. Für sie spielte es keine Rolle, denn Larry war ihr Bruder.
Ihn hatte sie auch als einzigen eingeweiht. Er wusste von ihrem Fund und hatte es zunächst nicht glauben wollen. Nach dem dritten Anruf war er überzeugt worden, und sein Gehirn wollte er auf Hochtouren laufen lassen, denn so etwas durfte man nicht brach liegenlassen, wie er meinte. Er versprach dann, seine Schwester noch einmal anzurufen.
Darauf wartete sie voller Unruhe. Ihrer Mutter fiel es auf, und Jade wurde von ihr angesprochen. Sie hatte sich zwei Wochen Urlaub genommen, den Job in der Leihbücherei konnte eine Aushilfe machen. Zudem war ihr Chef noch da.
Beim Mittagessen, es gab Kartoffelbrei und Klopse, fast schon spießig, fragte Alma ihre Tochter direkt. »Was hast du, Jade? Was ist mit dir? Du hast dich in den letzten Tagen schrecklich verändert. Du bist nicht mehr wie früher.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Woher willst du das wissen, Mutter?« Jade hatte Mühe, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben.
»Das kann ich dir genau sagen, Kind. Du reagierst anders als sonst. Du bist zwar hier, doch gedanklich weit fort. Ich habe es genau gespürt, ich bin mir sicher.«
Mit der Gabel stocherte die junge Frau im Brei. Sie suchte blitzschnell nach einer Ausrede, wobei sie davon ausging, dass sie ihrer Mutter nichts vormachen konnte. »Im Prinzip hast du recht, Mum. Es ist etwas mit mir geschehen.«
Alma Prentiss atmete seufzend. »Kind, du weißt, dass ich alles dafür geben würde, mein Augenlicht zurückzubekommen. Das ist nicht mehr möglich. Meine anderen Sinne sind geschärft worden. Ich spüre genau, dass du Probleme hast, die für eine junge Frau ganz natürlich sind, wenn sie in der Einsamkeit wohnt.«
»Nein, Mutter, ich…«
»Doch, Jade, doch. Bitte, du mußt reden. Du weißt, dass wir Freundinnen sind und über alles sprechen können. Hängt es mit mir zusammen?«
Jade blickte ihre Mutter an, obwohl die sie nicht sehen
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