0663 - Das Unheil erwacht
stärker war als er und die Befehle erteilte. Außerdem wäre er an seinen Freunden, der Mordliga, damals fast zerbrochen. »Wer ist das denn?«
»Dein großer Beschützer, der leider nicht zur Stelle war.«
Der Verletzte holte Luft und suchte nach Worten. »Wer oder was ist schon Costello?«
»Weiß ich genau. Er…«
»Nein, Bulle, nein.« Er kreischte plötzlich los. »Ich habe andere Beschützer.«
»Wie schön für dich. Und wen?«
»Das wirst du noch erleben, Bulle. Du wirst zittern, aber damit kommst du nicht durch.«
»Wovor?« In seinen Augen leuchtete etwas, über das ich mir meine Gedanken machte. Es war ein harter, wissender und gleichzeitig gefährlicher Glanz. Bei einem Verletzten hatte ich so etwas noch nicht gesehen. Hinter seinen Worten musste mehr stecken. Sie waren bestimmt keine leere Drohung.
»Man wird mich rächen, Bulle. Ich habe Freunde, mächtige Freude. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Darf ich fragen, wie du heißt?«
»Ja, ich sage dir meinen Namen, den du dir sehr gut merken solltest. Ich bin Larry Prentiss.«
Beim Nachdenken schoben sich meine Augenbrauen zusammen. Mit Larry Prentiss konnte ich nichts anfangen. Diesen Namen hatte ich noch nie zuvor gehört.
»Denkst du jetzt nach, Bulle?« Er sprach jedes Wort sehr langsam und auch keuchend aus.
»Ja, das tue ich.«
»Und?«
Ich hob die Schultern. »Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass er mir fremd ist.«
»Stimmt.«
»Darf ich fragen…«
»Nein, du darfst nicht mehr, Bulle. Aber ich werde dir noch sagen, dass du dich in acht nehmen mußt. Es gibt Dinge, die wir beide nicht begreifen können, die zwischen der Realität liegen. Alles ist gefährlich, das Leben besonders. Doch noch gefährlicher ist es, die Mystik zu ignorieren. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Ich nicht. Können Sie nicht konkreter werden?« Es wurde Zeit, denn von draußen hörte ich bereits die Sirenen. Auch das flackernde Licht huschte geisterhaft durch die Scheibe des Schaufensters. Der blaue Streifen sah aus, als wäre er von einer anderen Welt gekommen.
»Leben!« keuchte er plötzlich. »Flüssiges Leben und gleichzeitig totes, glaube ich…«
Ich saß da wie ein Eisklumpen. Der letzte Begriff hatte mich zu dem werden lassen.
Flüssiges Leben!
***
Prentiss sagte kein Wort mehr. Sein Blick war auf mein Gesicht gerichtet, auch dort regte sich nichts. Die Züge wirkten wie eingefroren, auf meinen Handflächen hatte sich der kalte Schweiß gebildet, in meinem Hirn überschlugen sich die Gedanken.
Brutal zerstörte jemand die ungewöhnliche Stille. Die Tür des Geschäfts flog auf, meine Kollegen und auch die Helfer aus dem Krankenwagen stürmten in den Laden.
Plötzlich waren sie der Mittelpunkt und natürlich der Verletzte, um den sich der Arzt kümmerte. Ich wurde ziemlich roh zur Seite gedrängt und schritt wie ein Schlafwandler dorthin, wo sich die Waren in den Regalen stapelten. Meine beiden Saftflaschen standen nach wie vor heil und unbeachtet.
Massimo Strela wollte mich ansprechen. Er hatte schon seinen Mund geöffnet, als ihn Marietta zurückzog. Sie hatte erkannt, dass ich allein bleiben wollte.
Flüssiges Leben!
Dieser Begriff wirbelte seit einiger Zeit durch meinen Kopf. Er bedeutete möglicherweise die Rettung für eine Person, die mir sehr ans Herz gewachsen war.
Nadine Berger, ehemals eine Wölfin mit der Seele eines Menschen, die dann gerettet wurde und in die Fänge des Vampirs Will Mallmann geriet.
Angeblich gab es noch eine Rettung für sie. Wir hatten es auf ihrem persönlichen Palmblatt gelesen, das wir aus Indien, aus Bangalore, mitgebracht hatten. Leider war ein Teil des Palmblattes zerstört worden, doch etwas hatten wir noch lesen und in Erfahrung bringen können. Das Flüssige Leben!
Nach gemeinsamen Überlegungen mit meinen Freunden war ich davon ausgegangen, dass es sich dabei nur um Blut handeln konnte. Denn Blut war der Lebensträger für jede Kreatur, da gab es nicht einmal Ausnahmen, was einen Vampir anbetraf, denn auch sie ernährten sich vom Blut der Lebenden. Nadine Berger war zu einer Vampirin geworden. Ich fürchtete mich davor, dass sie Menschen biss und sie blutleer saugte. Deshalb mussten wir sie und Mallmann so rasch wie möglich finden, um noch etwas retten zu können.
Diese Rettung hatte mit dem Flüssigen Leben zu tun. Dass dieser angeschossene Gangster darüber Bescheid wusste, war für mich nicht fassbar. Da sah ich überhaupt keinen Hintergrund, aber ich würde auf jeden Fall mit ihm über
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