0663 - Das Unheil erwacht
doch.« Sein ausgestreckter Finger zitterte. »Es ist das Ei. Woher hast du es?«
»Hier im Wald gefunden.«
Slaine zog die Schultern hoch, als hätte jemand darüber hinweggestrichen. »Hier im Wald gefunden. Ich kenne den Wald, ja, ich kenne ihn. Aber ich habe diesen Gegenstand nie gesehen.«
»Dafür kann ich nichts. Vielleicht haben Sie auch nicht richtig hingeschaut. Es lag so abseits, wissen Sie? Etwas versteckt im Gebüsch. Da ist es auch schwer, so etwas zu entdecken. Zum Glück hat es geleuchtet. Ich sah das kalte Licht.«
Ernest Slaine nickte. »Ja, du hast es gesehen, du hast den Gegenstand an dich genommen. Jetzt wirf ihn weg!«
Jade tat, als hätte Sie ihn nicht verstanden. »Was soll ich tun? Ihn wegwerfen?«
»Ja, zum Henker! Weg damit!«
»Nein, Mr. Slaine, das können Sie mir nicht befehlen. Das Ei gehört mir, verstehen Sie!« Jade nickte heftig. Sie fühlte sich aufgewühlt. In ihren Ohren rauschte es. So hatte Ernest Slaine noch nie mit ihr gesprochen.
So nicht. Über ihre folgenden Worte wunderte sie sich selbst. »Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg!«
»Ach«, sagte er, und es hörte sich fast an wie ein Husten. »Du willst mir etwas befehlen?«
»Ich will nur, dass Sie den Weg freimachen und mich weitergehen lassen. Das ist alles!«
Ernest Slaine starrte die Frau aus schmal gewordenen Augen an. »Tut mir leid, Jade, ich denke gar nicht daran. Diesen Fund wirst du auf keinen Fall behalten.«
Jade blieb ruhig, obwohl sie Wut in sich hochsteigen spürte. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die schnell aggressiv reagierten, in diesem Fall war es etwas anderes. Da stieg die kalte Wut in ihr hoch und verwandelte sich in Mordlust. Eigentlich hätte sie davor erschrecken müssen, sie aber fühlte sich plötzlich frei und besser, Nein, sie würde das Fundstück auf keinen Fall aus der Hand geben. Es gehörte ihr, und sie fühlte sich mit ihm verbunden.
Deshalb schüttelte sie den Kopf.
Slaine stand ihr gegenüber und ballte seine Hände. »Wenn du mir das Ding nicht freiwillig geben willst, werde ich es mir eben holen, zum Teufel!« brüllte er sie an.
»Da!« schrie sie zurück.
Jade wusste selbst nicht, weshalb sie so reagierte. Eine innere Stimme hatte sie dazu gezwungen, ihr den Befehl gegeben, es zu tun. Deshalb tat sie es.
Sie schleuderte das Ei auf den Mann zu, dessen Gesicht für einen winzigen Moment von der bleichen Helligkeit erfasst wurde, bevor er mit beiden Händen zuschnappte.
Er hielt es fest, konnte es nicht mehr loslassen und begann plötzlich gellend zu schreien.
Was dann geschah, hatte die junge Frau niemals zuvor erlebt oder gesehen. Das war Horror hoch drei!
***
Ernest Slaine zitterte, als würde ein Schüttelfrost seinen Körper durchtosen. Von den Zehen- bis zu den Haarspitzen hinein fand sich keine ruhige Stelle an seinem Körper. Die Zähne schlugen aufeinander, der Mund öffnete und schloss sich krampfhaft, die Augen drangen aus den Höhlen, und einen Moment später stürzte ein Blutström aus seinem Mund, der das Ei zwischen den Händen überschwemmte.
Das Blut hörte nicht auf zu strömen. Es drang aus dem Mund, den Nasenlöchern, den Ohren, und das unheimliche Ei saugte es auf.
Jade Prentiss konnte es kaum fassen. Das Blut des Mannes verschwand in dem Ei, wo es zu Wolken verdampfte, und auch der letzte Tropfen sickerte durch die Oberfläche in das Innere.
Dann war nichts mehr zu sehen.
Nur Ernest Slaine stand noch auf dem Fleck, obwohl sich in seinem Körper kein Blut mehr befinden konnte. Er lebte und röchelte. Auf seinem Gesicht zeichneten sich die letzten, dunklen Flecken ab, und schmale Rinnsale liefen noch aus den Nasenlöchern in Richtung Kinn.
Dann fiel er hin.
Gleichzeitig ließ er das Ei los, das auf den Boden tickte wie ein dicker Ball, noch einen halben Schritt weiter rollte und liegenblieb, als wäre nichts geschehen.
Jade rührte sich nicht. Sekunden vergingen. Erst dann wagte die Frau es, sich in Bewegung zu setzen und lief mit zittrigen Schritten dorthin, wo der Mann auf den Rücken gefallen war.
War er tot?
Er musste tot sein. Es fiel ihr schwer, dennoch wollte sie sich davon überzeugen.
Sie kniete neben ihm. Das Licht der Kugel reichte nicht aus, um seinen Körper zu überstrahlen, es lag deshalb im Schatten, die Augen weit geöffnet und in den Pupillen sowie an den inneren Rändern von kleinen Blutstreifen durchzogen. Auf der Kleidung malten sich ebenfalls dunkle Flecken ab, selbst die Haare waren nicht verschont
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