0663 - Das Unheil erwacht
geschickt.
Die Ärzte hatten geraten, die Besuche noch zu reduzieren. Sie wollten jedenfalls kein Risiko eingehen, was ich auch gut fand. Sofern es meine Zeit erlaubte, musste ich ins Krankenhaus.
Da stellte sich jedes Mal die Frage. Was brachte man mit? Schon wieder Blumen oder irgendwelche Bücher, die nicht gelesen wurden, wenn, dann erst später.
Ich hatte Glenda gefragt und auch eine Antwort bekommen. Sic wollte Zeitschriften haben und etwas zu trinken.
Am liebsten Säfte aller Art. Da ich selbst ein Saftfan bin, hatte sie meine volle Zustimmung.
Ich war an diesem Tag früher aus dem Büro gegangen. Am gestrigen Tag war Suko bei Glenda gewesen. Heute ging ich hin. Auch nicht sorgenfrei, denn es ging nicht allein um Glenda Perkins, da war noch das Problem Nadine Berger, die von Mallmann zur Vampirin gemacht worden war, wobei wir versuchten, sie zu retten.
Angeblich sollte es eine Chance geben. Wir mussten nur das flüssige Leben finden.
Das war leichter gesagt als getan, denn eine Spur dorthin gab es nicht.
Auch wenn unsere Computer noch so gut arbeiteten und sämtliche Möglichkeiten durchcheckten, ein Erfolg war uns bisher nicht beschienen worden. So konnten wir uns nur die Haare raufen und hoffen, dass der Drucker irgendwann einen Hinweis ausspuckte.
Der November hatte zunächst mit Regen und in den höheren Lagen mit Schnee begonnen. Danach wollte sich der Wettergott von seiner besseren Seite zeigen, hatte uns Kälte geschickt, die ersten Fröste, aber auch Sonnenschein am Tag.
London lag unter einer herrlichen Herbstsonne. Die Stadt war nahtlos von einem goldenen Oktober in einen beinahe goldenen November übergegangen. Die zahlreichen Parks und Grünflächen zeigten sich in den wunderschönsten Herbstfarben.
Das helle Gelb strahlte noch einmal auf, als es von den Strahlen der Sonne betupft wurde. Da schien die Natur noch einmal Atem holen zu wollen, bevor sie in ihren Winterschlaf fiel.
Der Himmel war hell, ich musste die Sonnenbrille aufsetzen und dachte daran, dass es Säfte in einem bestimmten Geschäft gab, wo ich zudem noch Zeitschriften bekam.
Der Laden gehörte Massimo Strela, einem Italiener, der zudem noch Lebensmittel und Wein aus seiner Heimat verkaufte. Auch seine Grappas konnten sich sehen lassen. Sie besaßen eine Superqualität.
Massimo Strela war in der Straße ein geachteter Mann. Immer freundlich, vor allen Dingen zu den Kindern. Manchmal hatte er ein neapolitanisches Lied auf den Lippen, so kannte man ihn, und so war er zu einer Institution geworden.
Da ich dreimal bei ihm eingekauft hatte, weil sein Geschäft nicht weit vom Krankenhaus entfernt lag, wurde ich schon wie ein alter Stammkunde begrüßt.
Auch ich freute mich darauf, ihn zu sehen, und natürlich seine quirlige Frau Marietta mit den lackschwarzen Lockenhaaren und dem Feuer in den Augen.
Wer zu seinem Laden ging, konnte ihn gar nicht verfehlen, weil Massimo Strela vor dem Schaufenster stets seine Gemüsekisten aufgebaut hatte.
Diesmal allerdings lagen sie am Boden. Salatköpfe, Schlangengurken, Auberginen und Avocados waren auf das Pflaster gerollt und wurden von dem Ehepaar aufgesammelt, was ich beim Heranschlendern erkennen konnte. Als ich eintraf, hob Massimo den letzten Salatkopf auf, seine Frau war bereits im Laden verschwunden.
Traurig schaute er den Salat an und sagte leise: »Den kann ich nicht mehr verkaufen. Alles muss ich wegwerfen, auch die Tomaten.«
»Das kann man abwaschen.«
Er hatte mich nicht gesehen. Jetzt hob er den Kopf und lachte mich an.
»Sie sind es, Signore.«
»Ja, ich.«
»Kommen Sie in mein Geschäft.«
»Moment noch.« Ich hielt ihm am Ärmel seines weißen Kittels fest. Er war ein rundlicher Mann mit glatten Haaren, einem ebenfalls runden Gesicht und einem schmalen Bärtchen auf der Oberlippe. »Darf ich fragen, wer Ihnen diesen Streich gespielt hat?«
»Streich? Das war mehr als ein Streich.«
»Stimmt. Wer war es?«
Er überlegte eine Weile, bevor er sagte: »Das waren Rowdies. Leute, die andere quälen wollen.«
Damit hätte der Fall für mich erledigt sein können, das war er nicht. Die Antwort schien mir gelogen zu sein. Mir war die kalte Angst in den Augen des Italieners nicht entgangen, und ich dachte mir meinen Teil. Vor mir betrat er den Laden, schaute sich noch um, wobei er rechts und links über den Gehsteig hinwegblickte.
»Werden die Burschen noch einmal zurückkehren?« fragte ich ihn.
»Das weiß ich nicht.«
»Dann packen Sie lieber
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