0665 - Vampirstadt Berlin
blieben ebenfalls nicht verschont. Im Gesicht rutschten die hellen Augen tief in die Höhlen.
Mit unbewegtem Gesicht schaute Suko dem Vorgang zu. In seinem Rücken hörte er die Stimmen des Kommissars und die des Fahrers. Er konnte nicht verstehen, was sie sagten, sie unterhielten sich flüsternd und mit rauhen Stimmen.
Was blieb von Dr. Sheldon Drake?
Es war lächerlich, als Suko gegen die schußsichere Weste trat und den dumpfen Laut hörte. Sie und die Kleidung waren zurückgeblieben. Selbst die Haare waren nicht mehr zu sehen.
Er wandte sich ab. Irgendwo fühlte er sich erleichtert. Mehrere Wagen hatten mittlerweile anhalten müssen, weil der LKW mit eingeschalteter Warnblinkanlage schräg stand. Sein Licht sowie die Lichter der anderen erhellten die Nacht mit ihrem gespenstischen Schein.
Die Fahrer hatten ihre Autos verlassen und bestürmten Suko mit Fragen. Auch Harry Stahl wurde nicht verschont. Der aber schüttelte unwirsch den Kopf, gab die nötigen Erklärungen ab und machte den Leuten klar, daß sie weiterfahren konnten.
Zuerst stieg der Truckfahrer ein und schuf Platz. Sehr bald war die Straße wieder leer.
Suko hatte die schußsichere Nylonweste von der Fahrbahn geräumt und sie in den Straßengraben neben den Transporter gelegt. Harry Stahl schaute nickend auf das Beutestück.
»Der Rest?«
»Ja, bis auf die Kleidung.«
Harry bekam eine Gänsehaut. »Und der ist tatsächlich zu Staub zerfallen, wie man es immer wieder in den Filmen sehen und in den Büchern lesen kann?«
»Richtig.«
Er raufte seine Haare. »Das ist der reine Wahnsinn. Aber hier hatte er Methode.«
»Jedenfalls haben wir das Band zwischen Wittenberg und Berlin durchschneiden können«, faßte Suko zusammen. »Das ist immerhin etwas, auch wenn wir nur von einem Teilerfolg sprechen können.«
»Wo wir in Berlin hinwollen oder hinmüssen, weißt du nicht?«
»Im Prinzip schon, aber John wird bestimmt nicht mehr in dem Hotel am Ku'damm sein.«
»Wo man ihn hinbestellt hatte?«
»Richtig, Harry. Wir werden trotzdem hinfahren und uns dort nach ihm erkundigen. Möglicherweise hat er für uns eine Nachricht hinterlassen.«
»Das kann ich nicht glauben.«
Suko schlug dem Kommissar aus Leipzig auf die Schulter. »Keine Sorge, Harry, John und ich arbeiten schon verdammt lange zusammen. So etwas schweißt aneinander. Auch wenn wir an verschiedenen Fronten im Einsatz sind, es versucht jeder immer wieder dem anderen eine Nachricht zukommen zu lassen. Das gehört einfach dazu und hat uns schon mehr als einmal das Leben gerettet.«
»Nicht schlecht, wirklich.«
»Kannst du noch fahren, oder soll ich den Rest der Strecke ans Lenkrad?«
»Das packe ich schon. Außerdem habe ich lange genug in einem Trabi herumgurken müssen. Es macht mir Spaß mit einem westdeutschen Fahrzeug zu fahren.«
»Gut, dann nichts wie weg.« Suko schaute auf die Uhr. »Wie lange werden wir brauchen?«
»In einer halben Stunde sind wir mitten in Berlin.«
»Ich drücke uns die Daumen.«
Sie ließen den VW-Bus zurück und natürlich auch die Reste des Blutsaugers. Um das Fahrzeug wollte sich der Kommissar später kümmern. Wichtig war für beide, Berlin zu erreichen, wobei bereits einige der Helfer hingeschafft worden waren. Und zwar all diejenigen, die bereits die dritte Spritze bekommen hatten.
Suko hatte das Radio eingeschaltet. RIAS II brachte Meldungen über die Krawalle am Alex und in dessen unmittelbarer Nähe. Man sprach von Bränden und harten Kämpfen, die wohl die Nacht noch über andauern würden.
»Sieht nicht gut aus«, sagte Harry. »Von einer Hölle in die andere.«
»Den Ku'damm haben die Chaoten noch nicht erreicht.«
»Nein, aber so etwas kann sich schnell ausbreiten.«
Berlin lag vor ihnen als helle Lichterflut. Über die dunkle Avus hinweg rollten sie in die Stadt ein, und es war auch nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel, wo sich der Verkehr knubbelte.
Zum Glück war der Kommissar nicht zum erstenmal in Berlin. Er wußte noch ungefähr, wie er zu fahren hatte.
Der Kommissar zeigte seinen Ausweis. Ihm wurde gestattet, am Hotel zu parken.
Verfolgt von den Blicken des in einen langen schwarzen Mantel eingehüllten Portiers, drückten sie sich durch die Drehtür in die Halle, wo wieder alles ganz anders war.
So wunderbar ruhig, trotz der versammelten Menschen. Die typische Grand-Hotel-Atmosphäre umschwebte sie. Nicht steif, wie es früher einmal gewesen war, sondern locker, nett und freundlich.
An der Rezeption erkundigte sich
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