0665 - Vampirstadt Berlin
würden.
Wie eine dunkle, schnurgeradeaus führende Rennbahn lag die Straße vor ihnen. Sie durchschnitt Wiesen und Felder, über die der Nebel in traurigen Schwaden lag.
Hin und wieder erschien ein einsames Gasthaus oder abseits liegendes Gehöft. Auch mal ein Wohnhaus. An einigen wurde bereits gearbeitet, man fing an zu renovieren.
Ein Wagen erschien vor ihnen. Ziemlich kompakt, und Suko, der ihn ebenfalls gesehen hatte, legte die Karte zur Seite. Es war nicht der gesuchte VW. Dafür ein alter Ford Transit, an dem sie vorbeirollten. Zwei Männer hockten in seinem Führerhaus, wie Suko mit einem Seitenblick erkennen konnte.
»Vor Potsdam will ich sie haben!« knirschte Harry. Er kam sich allmählich frustriert vor.
»Das schaffen wir.«
»Ha, ha…«
Es waren noch zehn Kilometer bis Potsdam, wie Suko an einem Schild ablas.
Kurven gab es kaum. Der Kommissar gab wieder Gas. Ohne Gegenverkehr auf diesem Teil der Strecke schaltete er das Fernlicht an. Es brachte nicht viel, weil die dünne Nebelsuppe über die Straße floß, aber sie sahen am Ende der Lichtleiste die weißlichgrauen Schatten, die träge über den Asphalt krochen, einen sich bewegenden Umriß.
Beide waren sicher, den Wagen gefunden zu haben. »Das muß der Bus sein«, sagte Suko.
»Ist er auch!« flüsterte Harry und drückte das Gaspedal noch tiefer, während er das Fernlicht ausschaltete.
»Mal eine Frage am Rande, Suko. Hast du schon einen Plan?«
»Nicht direkt. Wir werden versuchen, ihn zu stoppen.«
»Wie im Kino. So mit einem crash?«
»Zur Not.«
Harry erbleichte mittelschwer. »Mein armer Wagen, der ist noch ziemlich neu.«
»Bei deinem Fahrstil nicht mehr lange. Hast du keinen Dienstwagen?«
»Leider nicht.«
»Das kommt noch.«
Es war der Bus, wie jeder von ihnen jetzt erkennen konnte. Sie waren sehr nahe herangekommen.
Noch knapp zwanzig Meter, dann befanden sie sich auf gleicher Höhe.
»Auf geht's«, flüsterte Harry. Seine Stirn war mit Schweißperlen bedeckt. »Ich hasse Vampire!« Er gab etwas zu viel Gas, die Räder drehten fast durch, das Fahrzeug rutschte, kam aber weiter, schob sich heran - und befand sich plötzlich auf gleicher Höhe mit dem VW-Bus. Sogar in das Fahrerhaus konnte Suko schauen, wenn er sich etwas hochreckte, und er sah tatsächlich das Profil des Vampirs hinter der Scheibe.
»Er ist es, Harry!«
»Okay, wunderbar. Was soll ich tun?«
»Setz dich vor den Wagen, aber sehr dicht. Zwing ihn dazu, endlich anzuhalten.«
»Gut.«
Harry mußte sein Meisterstück abgeben. Er überholte den VW und schnitt ihn gleichzeitig, so daß dem Vampir nichts anderes übrigblieb, als auf die Bremse zu treten, wollte er nicht das Heck des Audi rammen, denn auch- Harry war mit dem Tempo heruntergegangen.
Suko starrte in den Rückspiegel. Er bekam mit, wie der Bus anfing zu tanzen. Seine Reifen waren nicht die besten.
»Das packen wir!« flüsterte Harry. »Verdammt, er gerät ins Schlingern.«
Und er fuhr diagonal. Was Drake dazu getrieben hatte, wußten beide Männer nicht. Vielleicht hatte er den Wagen überholen wollen, das hätte wohl auch geklappt, nur war das Tempo einfach zu hoch, die Straße zu glatt, so daß Drake den Wagen nicht mehr unter Kontrolle bekam und mit den Vorderrädern über den Rand hinwegrutschte und im Graben landete.
Harry Stahl war weitergefahren. Suko hatte sich auf dem Sitz gedreht und schaute zurück.
Der VW-Bus bekam einen Schlag, als hätte eine gewaltige Faust in sein Heck geschlagen. Er neigte sich sogar nach vorn und sah aus, als wollte er kippen.
Dazu kam es nicht. Ein kurzes Schütteln durchlief das Fahrzeug, dann stand es still.
Und auch der Kommissar hatte gestoppt.
Suko öffnete die Tür. Bevor Harry noch eine Frage stellen konnte, hatte er den Wagen bereits verlassen.
Diesmal sollte ihm Dr. Sheldon Drake nicht entwischen!
***
Die Umgebung glich einer perfekten Gruselkulisse. Eine einsame Landstraße in der Dunkelheit.
Nebelschwaden, die von zwei verschiedenen Seiten auf die Straße zutrieben und wie Geisterfinger über den Belag kroch. Kein Laut in der Nähe, kein anderer Wagen erschien, und Suko huschte geduckt über das matt schimmernde Pflaster.
Der VW-Bus stand leicht schräg. Sein Vorderteil hatte sich gesenkt. Er sah aus, als wollte er in das feuchte Erdreich hineinrammen, wobei er auf halber Strecke Halt gemacht hatte.
Es war still geworden. Nur das ›Plopp‹, mit dem die Fahrertür des Audi ins Schloß fiel, war zu hören.
Suko hatte nicht
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