067 - Der grausame Götze
zu erzittern. Die Flammen warfen sechsundzwanzig Schatten nach allen Richtungen, und die Schattenbilder vermischten sich, zuckten und bebten. Jetzt lehnte der Junge die Trommel an die Wand und hockte sich vor sie auf den Boden, aber trommelte ununterbrochen weiter.
Der Teufel betrachtete ihn mit undeutbarem Grinsen.
Halb saß er, halb kniete er, der Götze, der aus der kollektiven Vorstellung der Übermenschen geschaffen worden war. Der riesige Körper war in Grün und Gold gehalten. Das Gesicht lebte - nein, der ganze Körper lebte.
Über der Schulter lag ein feuerrotes Tuch aus Samt, das sich in den Spitzen der Drachenflügel verfangen hatte. Die Stirn des Götzen wurde von einem großen leuchtenden Drudenfuß bedeckt. „Kennst du diesen Dämon? Gibt es Berichte vom Auftauchen eines solchen Ungeheuers?" fragte Coco leise. Sie hatte Dorians Hand ergriffen und stand mit ihm im Schatten des höhlenartigen Eingangs.
„Nein. Sie haben sich offensichtlich auf diese Form geeinigt. Auch die gewaltige Größe spricht dafür. Warten wir. Vielleicht können wir eingreifen"
„Hast du Hoffnung, Dorian?"
„Kaum", bekannte er.
Zwei große gewundene Hörner und zwei kleinere, die nach oben gedreht waren, standen von dem haarlosen Reptilienschädel des Teufels ab. Der geteilte Ziegenbart an seinem Kinn bewegte sich, und die Lippen formten unhörbare Worte. Die ausgestreckten Arme deuteten verlangend nach unten. Es war, als würde er um ein Opfer bitten.
Fast jeder Teufelsanbeter hatte aus einem Haufen von Ausrüstungsgegenständen, die vor den Bocksfüßen des Satans lagen, einige Gegenstände herausgezogen. Eine Peitsche, ein löchriges Gewand, eine Stich- und Hiebwaffe, einen alten Helm, der aus anderen, längst vergangenen Jahrhunderten zu stammen schien...
Die Kräfte der Teufelsanbeter schienen unbegrenzt zu sein. Seit mehr als zwei Stunden bewegten sie sich wie die Rasenden. Der Rundtanz, bei dem die Tiere mitgezerrt wurden, dauerte noch an. Wenn sie sich dagegenstemmten, wurden sie gepeitscht, oder man stach ihnen mit den Dolchen in die Flanken. Breite Schweißbahnen liefen über die Flanken des Stiers und der jungen Kuh.
Solche orgiastischen Feste hatten nicht nur im Mittelalter, sondern zu allen Zeiten stattgefunden. Auch in der Steinzeit hatte man Tiere geopfert. Aber die Voraussetzungen waren nicht die gleichen gewesen. Niemals hatten die Menschen gewußt, wem sie opferten. Hier veranstalteten sie ein schauriges Fest, um ihren selbstgeschaffenen Götzen zu füttern.
Der Tanz schien sich jetzt seinem Ende zuzuneigen. Immer wieder sprang ein Tänzer in den innersten Kreis, schrie Unverständliches zu dem Dämonen hinauf, prüfte die Schärfe des Messers oder Dolches.
Dann kam das schöne Mädchen, das Dorian schon aufgefallen war. Sie war fast nackt. Die goldenen Brustschalen und das goldene Dreieck, das an dünnen Ketten hing, hatte sie in dem Haufen altertümlichen Gerümpels gefunden. Sie trug in beiden Händen eine große goldene Schale.
„Kommt jetzt zum Höhepunkt, Freunde des Satans! Opfert, ihr Übermenschen! Wir werden eins mit unserem neuen Freund!" schrie Sarchow laut und sprang mit einem gewaltigen Satz auf den riesigen Opferblock hinauf. Der Dämon warf ihm einen lüsternen Blick zu und leckte seine Lippen. Die Trommel' verstummte augenblicklich.
Nach einigen schrillen Läufen setzte auch Michail die Violine ab, die nur noch zwei Saiten hatte. In der plötzlichen Stille stieß der Stier einen schrecklichen langen Schrei aus. Sechs Männer zerrten ihn vor den Götzen.
„Freunde!" schrie der Philosoph und sprang auf dem Steinblock hin und her. „Die Macht des Bösen hat sich uns offenbart! Der Dämon, den wir geschaffen haben, hat alle seine Versprechen gehalten. Wir sind die mächtigsten Menschen! Wir sind die neuen Götter. Für uns ist es nur vernünftig, daß wir das Böse als den wahren Herrscher der Welt anerkennen. Opfert! Opfert das Blut, damit wir stark genug werden, das Böse über die ganze Welt zu verbreiten!"
Er stand still da und starrte auf seine Gefolgsleute herunter. Der Dämon hinter ihm begann, zu schmatzen und zu schlürfen. Speichelfäden liefen über sein Kinn.
„Tamara! Die Schale des Blutes!"
Tamara kam herbei. Es war das aufregende Mädchen mit den langen rotblonden Haaren. Sie hatte die Augen geschlossen und befand sich offenbar in Trance.
Sie kniete sich neben dem Opferblock nieder und hob die Schale mit den ausgestreckten Armen. Man zerrte den Stier, der
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