067 - Der grausame Götze

viel stärker war als das Böse in dieser Welt. Ihre Finger wurden schlaff.
    Dorian bückte sich und legte ihre Hand vorsichtig auf die glatte Unterlage. Dann stand er auf und nickte den Ärzten zu.
    „Karascho, Gospodin", sagte einer von ihnen und schob ihn zur Seite.
    Der lange tiefe Schlaf Tamaras hatte begonnen. Ihre Lebensfunktionen erstarrten in der Kälte. Dorian verließ den riesigen Kellerbezirk unter dem Hügel und stieß vor dem Tor auf Coco, Sonja und Iwan. Sie schüttelten sich die Hände.

    Sonja sah zu, wie der Mann mit dem faszinierend dämonischen Blick und dem schmalen Gesicht die wärmende Kleidung auszog.
    Dann sagte sie: „Ich bin keine Freundin dieser Methoden. Von siebenunddreißig Menschen hat nur eine einzige Frau dies alles überstanden. Und auch ihr konnte niemand helfen, weil die Technik und die Wissenschaft noch nicht so weit sind."
    Iwan deutete auf Dorian Hunter und bot ihm eine russische Zigarette an. Dorian lehnte höflich, aber bestimmt ab.
    „Immerhin!" sagte Iwan. „Wenn uns Genosse - Verzeihung, Mister Hunter etwas aus seinem Erfahrungsschatz mitteilen würde, könnten wir uns wohl vorstellen, was in dem Reich zwischen Leben und Tod geschehen ist, in einem entfesselten Intellekt, der sich inmitten der Erstarrung wiederfand." „Alle sind gescheitert. In diesem Bereich regiert das Böse, Iwan", sagte Dorian. Nebeneinander gingen sie auf den Bus zu, der zwischen dem Hügel und dem Hotel verkehrte.
    „Wissen Sie das aus eigener Erfahrung, Dorian?"
    „Ich war noch nicht dort", bekannte Dorian nachdenklich. „Aber ich kenne viele Monstren und Dämonen, die dort hausen. Auch die freiwerdenden Seelen, der umherschweifende Verstand, die kreative Intelligenz der siebenunddreißig Schlafenden - sie alle bewegten sich in diesem Zwischenbereich."
    „Und trafen dort den Satan, dem sie gegen die Zusicherung von Macht ihre Seelen verkauften?"
    „Ja, so war es wohl", murmelte Dorian. „Eine andere Frage an die hohen Funktionäre aus Moskau... "
    „Ja?"
    „Ich genieße Ihre Gastfreundschaft. Coco genießt sie auch, aber wir sind der Meinung, daß man nichts übertreiben sollte. Wann bringen Sie uns zu einer Linienmaschine nach London?"
    Sonja lachte laut.
    „Morgen früh starten wir. Die Truppen und das Gerät folgen, wenn in Dormogorsk wieder normale Zustände herrschen."
    „In Ordnung. Höre ich gern."
    Sie fuhren ins Hotel zurück. Irgendwann in dieser Nacht, als die Nacht wieder von vertrauten Geräuschen erfüllt war, standen Kiwibin und Dorian nebeneinander auf einer Terrasse. Kiwibin war verlegen, aber er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als dies zuzugeben.
    Dorian sagte so leise, daß es niemand außer ihnen beiden hören konnte: „Hören Sie, mein Freund..."
    „Ja?"
    „Besteht nach Ihrer Meinung die Aussicht, daß sich unsere Wege noch einmal kreuzen?"
    Kiwibin sagte offen: „Ich hoffe nicht. Mir ist es lieber, wenn wir solchen schauerlichen Angelegenheiten nicht noch einmal nachzugehen brauchen."
    Dorian lachte. Sein Gesicht wurde von der Glut seiner Zigarette beleuchtet und schien die Züge einer Dämonenfratze anzunehmen.
    „Das glauben Sie doch selbst nicht, Kiwibin!"
    Kiwibin grinste und schlug Dorian auf die Schulter.
    „Leider werden wir uns noch öfter treffen müssen. Ich weiß, daß es mehr höllische Ausgeburten gibt, als uns lieb ist.“
    „Richtig. Und ich schwöre Ihnen eines", sagte Hunter. Er machte keinen Scherz.
    „Sie mir, Freund Hunter? Zuviel Wodka?"
    „Keineswegs", versicherte Dorian. „Ich verspreche es Ihnen sogar. Wenn Sie weiterhin solche undurchsichtigen Manöver einleiten, wenn Sie uns weiterhin uni Hilfe bitten, ohne uns ausführlich zu informieren, und wenn Sie glauben, daß wir Übermenschen sind - dann können Sie sich andere Opfer für solche delikaten Aufgaben suchen."
    Eine Weile herrschte Schweigen. Schließlich murmelte Kiwibin verblüfft und auch ein wenig peinlich berührt: „Wissen Sie - Befehl von oben. Ich hoffe, wir bleiben trotzdem so etwas wie Freunde, ja?"
    Der Zeitpunkt des Rückflugs stand bereits fest. Im Morgengrauen würde sie ein schneller Jäger abholen und nach Moskau bringen.
    „So etwas wie Freunde", sagte der Dämonenkiller leise. „Übrigens, Sie könnten mir einen Gefallen tun."
    „Fast jeden."
    „Falls Sie, Genosse Kiwibin, noch in Amt und Würden sind, wenn man Tamara aufweckt, dann verständigen Sie mich sofort, ja?"
    „Ja."
    Schließlich kehrte Dorian zu den anderen Gästen in dem kleinen