067 - Der Redner
gern einmal einer Verhandlung beiwohnen möchten.«
Sie seufzte schwer.
»Ich hätte nicht daran gedacht, hinzugehen, wenn Sie nicht gesagt hätten, daß Ihre Anwesenheit dort notwendig wäre. Ich weiß nicht, was für einen seltsamen Einfluß Sie auf mich ausüben.«
Sie sprach manchmal wie eine Romanfigur, aber auf Mark machten ihre Worte immer großen Eindruck.
»Wann fahren Sie ins Ausland?« fragte sie plötzlich.
»Nächsten Freitag.«
Er hatte jedoch die Absicht, London schon am Donnerstag zu verlassen, weil er Steinys wegen nicht ganz sicher war. Außerdem war er sehr unruhig, weil sein Haus schon zweimal von Beamten der Kriminalpolizei aufgesucht worden war. Es paßte ihm gar nicht, daß die Leute sich so eingehend beim Portier nach seinem jeweiligen Aufenthaltsort erkundigt hatten. Zu seinem Bedauern erkannte er, daß er die kleine Villa in der Nähe von Marlow würde aufgeben müssen.
Die junge Dame seufzte wieder.
»Ich wünschte, Sie würden nicht fortfahren. Freitag bin ich nämlich ganz allein zu Hause und muß über diesem entsetzlichen Laden schlafen. Mein Vater reist nach Manchester, und ich fürchte mich schrecklich vor dem Alleinsein. Wenn ich daran denke, daß ein Einbrecher ins Haus kommt ... Vor dem Gericht haben wir doch eben gesehen, was alles möglich ist. Der Safe ist nicht sehr sicher, den kann jeder aufbrechen. Wenn mein Vater doch nur die Smaragde zur Bank bringen wollte! Dann würde ich mich viel wohler fühlen ...«
Sie brach plötzlich ab, als ob ihr zum Bewußtsein gekommen wäre, daß sie zuviel gesagt hatte.
»Von den Smaragden hätte ich Ihnen nichts erzählen sollen«, sagte sie bedauernd. »Aber es ist doch wirklich zu lächerlich. Da liegen nun für siebzehntausend Pfund Steine in dem dünnen Blechschrank!«
Er fragte sie nicht danach aus, im Gegenteil, er schien nicht das geringste Interesse für die Sache zu haben.
»Das ist allerdings viel Geld - Ihr Vater muß ziemlich reich sein.« Mehr erwiderte er nicht darauf.
»Reich! Ich zweifle, ob mein Vater überhaupt tausend Pfund wirkliches Vermögen hat! Diese Smaragde wurden ihm ja nur von einer russischen Dame übergeben. Sie wollte sie neu fassen lassen. Das war vor zwei Jahren, und seitdem haben wir nie wieder etwas von ihr gehört. Mein Vater glaubt, daß sie nach Rußland zurückgegangen und daß sie dort eingesperrt worden ist.«
Mark begleitete sie nach Hause und traf dort ihren Vater. Es war das zweitemal, daß er mit dem Juwelier zusammenkam. Mr. Eddering war ein ältlicher, etwas gebeugter Mann, der sich kaum für seine Tochter, noch viel weniger für ihren Freund zu interessieren schien.
Der Laden war klein, aber das Geschäft in billigen Schmuckstücken ging ziemlich gut. Mark betrachtete nun zum erstenmal den Geldschrank mit kritischen Blicken. Das verhältnismäßig altmodische Stück stand unter dem Kassentisch. Erfahrene Geldschrankknacker konnten diesen Safe beinahe mit einem starken Taschenmesser öffnen.
»Das Geschäft geht sehr schlecht«, brummte Mr. Eddering und schüttelte den Kopf. Er hatte immer etwas auszusetzen. »Heute habe ich erst zwei Paar Trauringe verkauft.«
»Ich erzählte Mr. Lewis« - unter diesem Namen hatte sich Mr. Ling Pauline vorgestellt - »von der russischen Dame und den Smaragden, die sie dir gegeben hat«, erklärte seine Tochter, als sie sich an den Teetisch setzten. Ein Gehilfe betreute währenddessen den Laden.
Der Juwelier rieb ärgerlich das unrasierte Kinn.
»Ich möchte gern wissen, wie eigentlich die juristische Lage in diesem Fall ist«, sagte er und schaute mit gerunzelter Stirn zu Mark hinüber. »Einige meiner Geschäftsfreunde meinen, ich müßte in den Zeitungen inserieren, daß ich die Steine verkaufe, um meine Arbeit bezahlt zu machen. Aber das erscheint mir doch etwas zu rigoros. Die Rechnung beträgt kaum zwanzig Pfund.«
»Ich liebe Smaragde sehr - könnte ich die Steine vielleicht einmal sehen?« fragte Mark gleichgültig.
Mr. Eddering warf ihm einen mißmutigen Blick zu und schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht. Sie sind alle schon für die Dame eingepackt, und ich kann das versiegelte Paket nicht wieder öffnen.«
»Sind sie denn versichert?«
Der Juwelier sah ihn geringschätzig an.
»Glauben Sie, ich wäre so dumm, derartig kostbare Juwelen nicht zu versichern?«
Später ging er in seinen Laden und ließ die beiden allein.
»Manchmal kommt es mir wirklich so vor, als ob mein Vater nicht mehr ganz bei Verstand wäre«, sagte
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