067 - Der Redner
Wert. Mrs. Fainer gab uns auch den Schlüssel dazu. Aber es liegt nur leeres Briefpapier darin.«
»Ist das Papier noch darin?«
»Ich glaube«, erwiderte sein Freund erstaunt und holte den Kasten herbei. »Hier ist auch der Schlüssel.«
Mr. Rater schloß auf und klappte den Deckel zurück.
Es lagen ungefähr ein Dutzend Briefbogen von verschiedener Größe und ein halbes Dutzend Kuverts darin.
»Ich möchte nur wissen, warum sie Briefpapier von so verschiedenem Format kaufte?« meinte der Chefinspektor.
Er nahm die drei obersten Bogen heraus und legte sie auf den Tisch. Daneben breitete er die übrigen aus, die größer waren.
»Und warum hob sie angeschmutztes Briefpapier auf?«
»Ja, wie in aller Welt soll ich denn das wissen?«
Mr. Rater lächelte, was selten genug vorkam.
»Ich werde diese Bogen mitnehmen, wenn Sie nichts dagegen haben. Morgen fahre ich nach London; am Sonntag bin ich wieder zurück. Aber bevor ich fahre, möchte ich noch einmal Mrs. Fainer sprechen.«
Er hatte eine merkwürdige Unterhaltung mit ihr. Als sie diesmal in den Raum trat, war ihr Schritt fester und sicherer, und die Apathie war aus ihren Zügen gewichen.
Und doch hatte ihre veränderte Haltung einen ganz anderen Grund, als er annahm.
»Ich habe es aufgegeben«, sagte sie. »Es ist am besten und wird mir am leichtesten. Ich wünschte nur, der Prozeß wäre schon vorüber.«
»So dürfen Sie nicht sprechen«, erwiderte er düster.
Einen Augenblick leuchteten ihre Augen auf, aber der Glanz erlosch sofort wieder.
»Mr. Rater, wenn mich die Geschworenen wirklich durch einen fast undenkbaren Glücksumstand für unschuldig erklärten, hätte das Leben doch keinen Zweck mehr für mich. Ich bin für immer gezeichnet. Ich müßte das Land verlassen, und mein Mann hat mir nichts hinterlassen. Noch kurz vor seinem Tode hat er sein Testament widerrufen, weil er glaubte, daß ich ihn vergiftet hätte. Ich fühle mich nicht mehr stark genug, mit einer solchen Bürde noch einmal den Kampf ums Dasein aufzunehmen.«
»Aber sie könnten doch wieder heiraten«, entgegnete der Redner, ohne sie anzusehen.
Sie schaute ihn sonderbar an.
»Was sind Sie doch für ein merkwürdiger Mann, Mr. Rater! Sie gleichen nicht ein bißchen den Beschreibungen, die ich von Ihnen in den Zeitungen gelesen habe.«
Er stand auf und räusperte sich.
»Sie müssen dem Leben ganz anders gegenübertreten.«
»Glauben Sie denn, daß mich die Geschworenen freisprechen?« fragte sie überrascht.
»Das glaube ich nicht nur, das weiß ich ganz sicher. Sehen Sie, die Putzfrau hat die Jacke aufgehoben, um die Hosen ihres kleinen Jungen damit zu flicken.«
Sie schaute ihn an, als ob sie einen Betrunkenen vor sich hätte, und er las ihre Gedanken in ihrem Blick.
»Nein, ich bin nicht verrückt«, sagte er und verließ das Zimmer schnell.
Der junge Detektiv war bei seinen Nachforschungen auf die Putzfrau gestoßen, und es war bereits ein Bericht nach Scotland Yard unterwegs, in dem Mr. Rater empfahl, den Mann ins Polizeipräsidium nach London zu versetzen.
Der Redner war zwei Tage in London, dann kam er mit dem Sechsuhrzug nach Burntown zurück. Sein Kollege holte ihn wieder an der Bahn ab.
»Ich habe wunschgemäß Mr. Brait gebeten, auf mein Büro zu kommen«, sagte er etwas kurz.
Es tat ihm bereits leid, daß er sich an Scotland Yard gewandt hatte.
»Aber ich möchte nicht haben, daß Sie ihn wieder beleidigen«, fuhr er fort. »Er war uns sehr behilflich und hat uns jede nur mögliche Information gegeben.«
»Ich weiß nicht, ob ich ihn ärgern werde oder nicht, aber ich habe herausgebracht, was Sie von mir wissen wollten, und damit sollten Sie doch eigentlich zufrieden sein.«
»Sie haben entdeckt, woher das Gift kam?«
Der Redner nickte, gab aber keine nähere Erklärung.
Als sie in das Polizeibüro kamen, waren schon zwei andere Beamte zugegen. Mr. Brait erhob sich lächelnd und begrüßte den Redner. Aber Mr. Rater übersah die Hand, die ihm der Mann reichen wollte.
»Wie lange wohnen Sie schon in Burntown?« fragte er ohne weitere Einleitung.
»Fünf Jahre.«
»Wo hielten Sie sich vorher auf?«
Mr. Brait erzählte es ihm.
»Hatten Sie dort auch eine Generalagentur?«
Der Zeuge nickte.
»Waren Sie sehr überrascht, als Mrs. Fainer sie bat, Arsen für sie zu kaufen?«
»Natürlich.«
»Sie haben vermutlich niemals mit Arsen gehandelt?«
»Nein«, entgegnete Mr. Brait mit fester Stimme.
»Sie haben niemals Arsen pfundweise von der Fabrik
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