067 - Der Redner
andere Kerl ist.«
»Der sieht nicht so aus, als ob er von der Polente wäre«, entgegnete Steiny.
»Polypen befreunden sich nicht miteinander«, erklärte Mark.
»Sie trauen einander nicht, weil sie sich zu gut kennen.«
Mark hatte auch eine Stadtwohnung in Soho. Er gehörte nicht zu den Verbrechern, die drei Monate des Jahres in Armut und Schmutz zubringen, vierzehn Tage in Saus und Braus leben und die übrigen achteinhalb Monate im Gefängnis sitzen. Im Gegenteil, Mark Ling verdiente dauernd viel Geld. Er ließ seine Pläne durch kleinere Leute ausführen, hinter denen er sich versteckte. Auch Steiny war für ihn tätig, aber er war etwas zu neugierig.
»Wer hat denn neulich das Ding in Leicester gedreht?« fragte er bei seinem Besuch in Marlow.
Mark sah ihn böse an. Die Sache in Leicester war eine unangenehme Angelegenheit. Fast ein volles Jahr hatte er damit zugebracht, alle Einzelheiten über die berühmte Gürtelschnalle der Familie Couper in Erfahrung zu bringen, und dann war ihm ein anderer zuvorgekommen und hatte ihm das Stück vor der Nase weggeschnappt. Es waren vierzehn Brillanten auf der Schnalle, und jeder Stein hatte etwa vierzehn Karat. Alle Juweliere kannten das Stück.
»Ich weiß es nicht, aber ich vermute, daß es die Birmingham-Bande war«, erwiderte Ling ärgerlich. »Und ich bin froh, daß ich nichts damit zu tun habe. Ich möchte nur wissen, wie die Kerle die Steine aus dem Lande schaffen wollen! Wer das versucht, legt sich ja selbst den Strick um den Hals.«
Es gab nur wenig Leute, die etwas von Mark Lings eigentlicher Tätigkeit ahnten. Er war mehr als nur ein tüchtiger Einbrecher, er war auch der Schlaueste, wenn es galt, die Beute zu veräußern. Er konnte gestohlene Juwelen ins Land und ebenso über die Grenze schmuggeln; er kannte alle bedeutenden Hehler auf dem Festland und wußte immer, wo die gestohlenen Dinge den besten Unterschlupf fanden. Innerhalb weniger Tage konnte er gestohlene englische Banknoten, deren Nummern notiert waren, in einem Dutzend fremder Städte unterbringen.
Bei seinen Auftraggebern stand er jedoch nicht in dem besten Ruf, denn Steine und Geld verschwanden manchmal bei dem Transport. Die Leute gaben sich nach außen hin mit der Erklärung zufrieden, daß er die Polizei auf dem Festland hätte bestechen müssen, aber sie waren gewarnt und beschäftigten ihn nicht so leicht wieder. In gewisser Weise hatten sie ihn jedoch sehr nötig, denn Postpakete nach Brüssel, Antwerpen und Amsterdam werden häufig von den Zollbeamten geöffnet, und auf diese Weise waren schon viele unrechtmäßig erworbene Schmuckstücke verlorengegangen.
Mark machte aber trotzdem Geschäfte, da er drei verschiedene Sprachen beherrschte, zu reisen verstand und besser als jeder andere mit Zollbeamten fertig wurde.
Aber einmal betrog er einen kleinen Hehler in Newcastle, und der merkte sich die Sache.
In Scotland Yard gab man sich die größte Mühe, den Verbleib der berühmten Gürtelschnalle ausfindig zu machen. Man hätte das kaum glauben sollen, wenn man den Redner beim Angeln sah.
Steiny war ziemlich klein und hatte ein faltiges, pockennarbiges Gesicht. Außerdem besaß er zwei Untugenden: Er schwätzte, und er war neugierig, besonders neugierig wegen eines kürzlich verübten Einbruchs, bei dem äußerst wertvolle Schmuckstücke gestohlen worden waren.
»Bei der Sache in Burrow Hill waren Sie doch auch dabei, Mr. Ling?«
Mark maß ihn mit einem kalten Blick.
»Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden?«
Steiny entschuldigte sich sofort.
»Sie wissen doch, daß viel geredet wird. Aber ich will Ihnen lieber die Wahrheit sagen, Mr. Ling. Ich sah, wie Sie aus dem St.-Pancras-Bahnhof kamen, am Morgen, nachdem das Ding gedreht wurde, und da habe ich mir eben die Geschichte zusammengereimt.«
»Merkwürdig, daß Sie immer die verkehrten Schlußfolgerungen ziehen«, erwiderte Mark lächelnd. »Übrigens, was diesen Geldverleiher betrifft ... Ich kann Ihnen die Werkzeuge und alles Nötige beschaffen, und ich kann Ihnen auch sagen, wo Sie einen Wagen bekommen. Wieviel Leute brauchen Sie denn dazu?«
Steiny überlegte und meinte, daß drei genügen würden.
Für die Beschaffung der Werkzeuge und des Wagens partizipierte Ling an dem Gewinn solcher Unternehmungen, an denen er persönlich nicht teilnahm.
»Hoffentlich nehmen Sie mir nicht übel, was ich vorhin sagte«, bat Steiny, der wohl bemerkte, daß die Situation gespannt war. »Sie sind ein großer Mann, und ich möchte
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