0670 - Der Sarg-Designer
Haus betrat, mußte einfach fremd sein.
In seinem Magen lag ein selten erlebter Druck. Die Lippen fühlten sich rauh an, noch konnte er den ungewöhnlichen Eindringling nicht sehen. Er hielt sich hinter der Tür versteckt.
Er mußte durch die alte Waschküche gekommen sein und zuvor die Außentreppe genommen haben.
Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Alles war genau vorprogrammiert, er selbst hatte die verdammte Treppe anlegen lassen, zu seinem Schaden, wie sich nun herausstellte.
Wer war der Fremde?
Leo wußte, daß es nichts brachte, wenn er stehenblieb und wartete. Er mußte nachschauen.
Es kostete ihn eine ungeheure Überwindung, sich der Tür zu nähern, die so weit offenstand, daß sich auch ein Mensch durch den Spalt zwängen konnte.
Nur hatte er bisher niemanden gesehen – oder befand sich der Eindringling bereits in seinem Arbeitsraum?
Der Gedanke kam ihm, als er noch einen Schritt von der Tür entfernt stand.
Die aber machte sich plötzlich selbständig. Jedenfalls sah es für ihn so aus, als sie vor seiner Nase wieder zurückschwang und mit einem leisen Klacken zufiel.
Er begriff – es war zu spät.
Dobson hatte hinter der Tür, an der Wand und damit im toten Winkel gelauert.
Für Leo sichtbar geworden, als wäre er mitten aus der Schattenwelt der Hölle gestiegen.
Er war auch kaum mehr als ein Schatten, bis auf einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied.
In der rechten Hand hielt er das Messer mit der langen, breiten Klinge, dessen Spitze nach oben und genau gegen das Kinn Monty Dobson wies…
***
Leo glaubte zu zerfließen. Es lag am Schock, der allerdings schnell vorbei war und von einem Fieberschauer abgelöst wurde, der von seinen Füßen hoch bis unter die Schädeldecke raste. Die Hitze breitete sich so schnell aus, das ihn der Eindruck überkam, sein Blut würde erstarren.
Sprechen konnte er nicht. Dabei lagen ihm zahlreiche Fragen auf der Zunge. Eine nur würgte er hervor und erkannte sich selbst kaum wieder. »Wer… wer sind Sie?«
»Dein Mörder!«
Trotz der Angst gelang es Leo, über seine Situation nachzudenken.
Er erinnerte sich daran, daß Verena tot war. Man hatte sie erhängt im Hyde Park gefunden. Keine der Frauen kannte den Mörder. Der Tod dieser Person war allen ein Rätsel gewesen. Dennoch mußte es ein Motiv und natürlich auch einen Mörder gegeben haben.
War dieser Mann der Killer?
»Du…!« keuchte Leo, »du hast es getan, verdammt noch mal. Du bist es gewesen …«
»Was soll ich gewesen sein?«
»Aufgehängt.« Er zitterte beim Sprechen und bewegte den Mund bei den nächsten Worten sehr langsam. »Du hast sie aufgehängt, verflucht. Ja, du hast sie erhängt.«
Monty grinste kalt und schwieg. Nur sein Messer bewegte er. Die Klinge kippte nach vorn, sie wies mit der Spitze auf den Sargdesigner. »Tatsächlich?« höhnte er. »Woher weißt du das denn? Los, woher weißt du das?«
Leo schluckte. Er fürchtete sich davor, zuviel gesagt zu haben. Er schielte auf den Kreis, wo sich das Licht der Kerzenfackeln unruhig bewegte.
»Bekomme ich keine Antwort?«
Leo schüttelte den Kopf.
»Das ist schlecht, mein Freund, sehr schlecht.« Die Augen des Killers zeigten einen starren Glanz. In den Pupillen lauerte das Böse, ein Abdruck der Hölle. »Weißt du, daß ich Menschen hasse, die den Mund nicht aufmachen wollen?«
Liberance hatte die Worte zwar verstanden, allein, er dachte in eine andere Richtung. Seine Gedanken kreisten um die Frauen. Sie hielten sich für etwas Besseres, sie waren stärker als die meisten Menschen, vor allen Dingen stärker als die Männer.
Aber jetzt waren sie nicht da!
Schreien? Sollte er schreien? Er spielte mit dem Gedanken, aber da war die verdammte Klinge, die ihm vorkam wie ein Spiegel, in dem sich seine Gedanken fingen, um anschließend weitertransportiert zu werden. Zu ihm, dem Killer.
»Nein, Leo Liberance?«
»Geh wieder weg, verdammt! Hau ab, du hast hier nichts zu suchen, Mörder! Geh weg!«
Monty lachte nur und wechselte das Thema. »Schöne Särge hast du hier, Leo. Wirklich sehr schön. Sie gefallen mir, ja, sie gefallen mir gut. Originell, mal weg von dem üblichen Mist. Es macht richtig Spaß, in einem der farbigen Särge begraben zu werden. Macht es Spaß, mein Lieber? Macht es tatsächlich Spaß?«
»Weiß nicht…«
»Macht es Spaß?« schrie er.
Leo schrak zusammen. Der Typ vor ihm war verrückt. Sie waren hier alle irgendwie verrückt, aber der Kerl da übertrieb es. Der drehte durch, und er war
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