0671 - Killer-Kobolde
an einer Stelle, sie nahmen die gesamte Lichtinsel ein, so daß sie uns vorkam, als befände sie sich in einer ständigen Bewegung.
Unsere Augen mußten sich erst an das Blitzen und Schimmern gewöhnen, dann jedoch gelang uns der Blick in die Tiefe.
Es war unwahrscheinlich und gleichzeitig phantastisch. Auch Suko dachte wie ich, was ich an seinem überlauten Atem hörte. Wir konnten in eine Welt hineinblicken, die sich uns in ihrer gesamten Fremdartigkeit öffnete und einfach wunderbar war.
Keiner von uns empfand sie als gefährlich. Ich suchte nach einem Ausdruck und fand ihn auch.
Märchenhaft…
Genau, vor uns lag eine märchenhafte Welt, so wie man sie aus Sagen und Legenden kannte, wie ich sie früher als Kind gelesen hatte. Ich dachte an Schneewittchen, als ich die zahlreichen Tunnels und Gänge in dem Hügel entdeckte.
Dazwischen bewegten sich kleine puppenhafte Gestalten, die rote Mützen trugen, dazu grüne Wämse, und sie waren mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt.
Einige von ihnen kümmerten sich um ihre Waffen. Sie reinigten sie und probierten sie aus. Da stachen sie mit Lanzen, Schwertern und Degen in gewisse Lehmklumpen, die schon menschliche Formen besaßen. Andere setzten zielsicher ihre selbst hergestellten Schleudern ein.
Eine nächste Gruppe beschäftigte sich mit ihren Musikinstrumenten. Sie spielten darauf, als wollten sie sich in einer wahren Perfektion üben. Nur hörten wir keine Klänge, die Distanz war einfach zu groß. Sie wurden unterwegs geschluckt.
Es gab die Spriggans also, und es gab sie nicht nur als Geister, wie ich sie den Flaschen gesehen hatte.
»Harmlos?« hörte ich Suko murmeln.
Ich hob die Schultern. »Im Prinzip schon, meine ich. Man sollte sie nur nicht reizen.«
»Das denke ich auch.«
»Dann läßt du dein Kreuz stecken?«
»Natürlich.«
»Andere Frage, John. Was denkst du nun über Aibon. Stammen sie dorther? Bist du jetzt schlauer?«
»Nein.«
Die Antwort reichte Suko, um keine weiteren Fragen mehr zu stellen. Ob uns die Spriggans gesehen hatten, wußte ich nicht. Jedenfalls zeigten sie keinerlei Reaktionen, die in diese Richtung hinzielten.
Sie bewegten sich völlig normal, Herren dieser kleinen unterirdischen Welt, die so nahe lag und doch so weit entfernt war, denn wir gingen davon aus, daß sich hier zwei Welten überlappten.
Bestimmt nicht länger als drei Minuten hatten wir am Rand dieses geheimnisvollen Feldes gestanden, diskutierten darüber, wie es weitergehen sollte, als uns beiden etwas auffiel.
Links von uns stand ein klumpiger Gegenstand auf dem Boden dieser anderen Welt. Zuerst hielten wir es für einen Felsblock, wir hatten ihn auch nicht weiter beachtet, mußten das tun, als sich der
›Felsblock‹ plötzlich bewegte und in unsere Richtung rollte.
Als Felsen auf Rädern?
Das gab es nicht. Das mußte etwas anderes sein, das von den Kobolden geschoben wurde.
Ich hörte Suko leise und gleichzeitig unecht lachen. »Das ist doch nicht möglich«, sagte er dann.
»Das träume ich nur - oder?«
»Kein Traum, Alter«, wisperte ich mit angespannter Stimme und spürte auf dem Körper die zweite Haut. »Es ist tatsächlich ein Auto.«
Wir waren wie vor den Kopf gestoßen und schauten gebannt weiter zu, was die Kobolde wohl mit dem Fahrzeug anstellten. Sie schoben es weiter, zugleich näher an uns heran, so daß es in einen günstigen Blickwinkel geriet.
Durch die Frontscheibe und bis in den Wagen konnten wir hineinschauen. Was wir dort entdeckten, warf uns fast um.
Das Fahrzeug war nicht leer. Hinter dem Lenkrad hockte eine Frau…
»Nachtigall… Nachtigall…«, flüsterte Suko. »Ich höre dich nicht nur trapsen, ich weiß bereits Bescheid…«
»Die Vermißte, nicht?«
»Ja, und ihr Wagen.«
Sie schoben ihn weiter. Auch wir veränderten entsprechend unseren Standort, weil wir die Person nicht aus den Augen lassen wollten. Ob sie tot war, konnten wir nicht feststellen. Allerdings hing sie leblos auf ihrem Sitz und war leicht in Richtung Beifahrersitz gekippt.
Unter uns lief das Geschehen in einer absoluten Lautlosigkeit ab, das machte alles sehr gespenstisch.
»Sie können also die Tore überwinden«, sprach Suko leise. »Aber wie schaffen sie es?«
»Magie - Zauberei…«
»Möglich…«
Der Wagen entschwand unseren Blicken. Es sah für uns so aus, als wäre er in einen Stollen geschoben worden.
Ich traute mich noch immer nicht, mein Kreuz hervorzuholen und hatte auch zù lange gewartet, denn ohne Vorwarnung oder
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