0673 - Angelique, die Vampirin
stärker gemacht. Du mußt noch einmal von ihm trinken, und dann wirst du ihm befehlen, von seinem jetzigen Plan abzulassen.«
»Ja«, sagte Angelique. Nein! schrien ihre Gedanken.
»Ich bringe dich dorthin, wohin er geht. Du wirst ihn erwarten können. Aber sei vorsichtig. Er wird dir gehorchen - aber nicht gern; er wird dagegen kämpfen wollen, und er ist gefährlich und stark. Trinke sein Blut.«
Stygias Hand streichelte Angeliques Wange. »Du bist ein gutes Mädchen«, sagte sie mit Wärme in der Stimme und Kälte in den Augen. »Ein braves Mädchen! Nun komm!«
Sie faßte nach Angeliques Hand und nahm sie mit sich in den Teleport.
***
Es dauerte eine Weile, bis das Gespräch angenommen wurde, während Nicole immer ungeduldiger wartete. Vielleicht war ja niemand zu Hause, und dann wäre ihr Plan ohnehin so gut wie hinfällig…
Die kleine Blockhütte gehörte dem Silbermond-Druiden Gryf ap Llandrysgryf. Dort war er telefonisch erreichbar - wenn er anwesend war. Durch Magie; offiziell existierte dieser Anschluß überhaupt nicht. Wie Gryf das gedreht hatte, daß Telefonate bei ihm ankamen, obgleich British Telecom oder andere Telefonfirmen nichts davon wußten und merkten, hatte wohl bisher außer ihm selbst noch niemand begriffen.
Nicole wollte schon aufgeben, als eine Frauenstimme ertönte. »Hallo?«
»Teri?« stieß Nicole hervor und nannte ihren Namen.
Teri Rheken, die goldhaarige Silbermond-Druidin, befand sich also wieder mal bei Gryf in dessen Hütte. Nicole zögerte plötzlich. Gryf war ein erbarmungsloser Vampirjäger, und vielleicht war es ein Fehler, ihn in die Angelegenheit hineinzuziehen. Ausgerechnet ihn! Aber er war damals mit dabeigewesen. Er konnte am ehesten Kontakt mit der Waldhexe aufnehmen.
»Was ist denn los?« fragte Teri.
»Ist - Gryf da?« fragte Nicole etwas holperig. »Ich muß… ich sollte wohl mit ihm sprechen.«
»Ist im Moment nicht in der Nähe«, erwiderte Teri. »Ich müßte ihn suchen. Wieviel Zeit hast du?«
Nicole sah zur Zeitanzeige an der Zimmerdecke hinauf. »Wieviel Zeit brauchst du?«
»Eine Stunde vielleicht«, überlegte Teri. »Worum geht es überhaupt?«
»Um eine gemeinsame Freundin. Wir müssen sie finden und zur Waldhexe Silvana nach Brasilien bringen. Nur dort kann ihr geholfen werden, wenn es überhaupt noch möglich ist.«
»Und dazu brauchst du Gryf?«
»Ja.«
»In Ordnung. Ich suche ihn. Ich nehme an, daß er ins Château kommen soll?«
»Ja.«
»Sage ich ihm.«
»Danke«, erwiderte Nicole heiser und unterbrach die Verbindung. Sie machte ein paar Schritte rückwärts und ließ sich auf ihr breites Bett fallen. War es wirklich richtig, Gryf um Hilfe zu bitten? Es bestand die Gefahr, daß er Angelique pfählte. Damals hatte er es ja sogar beinahe mit Nicole getan, wenn der telepathische Wolf Fenrir ihn nicht davon abgehalten hätte.
Deshalb hatte Nicole Teri auch nur die halbe Wahrheit gesagt. Sie wollte selbst mit Gryf darüber reden und ihn vorsichtig an das Thema heranbringen. Der Druide trug einen geradezu unglaublichen, mörderischen Haß auf Vampire in sich. In seiner achttausend Jahre zurückliegenden Jugend mußte er ein traumatisches Erlebnis gehabt haben, das ihn zu einem solchen kompromißlosen Vampirkiller gemacht hatte.
Aber er war auch derjenige, der Silvana noch am ehesten und schnellsten finden würde. Brasiliens Regenwald ist groß, und Nicole war sich nicht sicher, ob sie nach mittlerweile 10 Jahren noch an der gleichen Stelle lebte wie damals. Die Brandrodungen, gegen die Silvana damals gekämpft hatte, schritten auch heute noch fort und vernichteten immer weitere große Teile des Regenwalds. Möglicherweise hatte Silvana anderswohin ausweichen müssen. Dann fand Nicole selbst sie wahrscheinlich erst, wenn es für Angelique längst viel zu spät war. In ein paar Wochen oder Monaten vielleicht.
Nicole erhob sich wieder und suchte nun doch endlich das Bad auf. »Aleajacta est «, murmelte sie und trat unter und zwischen die Duschköpfe. Die Entscheidung war getroffen, Gryf würde herkommen. Und sich hoffentlich überreden lassen, Angelique zu helfen, statt sie zu töten. Sie auf diese Weise von ihrem Vampirdasein zu erlösen.
Was aber, wenn nicht…?
Dann stehe ich gewaltig im Regen, dachte Nicole, während das Wasser auf sie niederprasselte.
***
Stygia verfolgte zwei Ziele. Erstens wollte sie natürlich sichergehen, daß Calderone tatsächlich dem Vampirkeim unterlag und damit Angelique zum Gehorsam verpflichtet
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