0673 - Die Jagd
einsteigen und Costello aus dem Sattel heben wollte.
Da liefen zwei Fälle parallel. Das Schicksal hatte die Karten gründlich durchgemischt und sie auf eine beinahe schon perverse Art und Weise verteilt.
Dass Jane Collins den Geisterjäger so gut kannte, wusste Francine Joy nicht. Sie und John hatten bereits Bekanntschaft gemacht, als Sinclair den Fall des Sarg-Designers lösen wollte. Nur standen die neuen Hexen außen vor. Ihre Ziele allerdings hatte Francine Toy dem Geisterjäger mitgeteilt, und der wiederum hatte Jane gebeten, sich ein wenig um die TV-Aphrodite zu kümmern.
Sie zog sich zurück.
Bisher hatte Jane nur ihr Gesicht sehen können, nun aber sah sie den gesamten Körper und musste feststellen, dass auch Francine sich umgezogen hatte.
Sie trug ebenfalls dünnes Leder, es lag wie eine zweite Haut und zeichnete jede Falte nach, bis hinab zu den Knöcheln. Zu öffnen war der Anzug durch einen Reißverschluss, der goldfarben schimmerte und aussah wie ein langer Strich.
Um den Hals hatte sie Ketten gehängt. Das dunkle Metall sah rostig aus. Wenn Jane genau hinschaute, stellte sie fest, dass die Kettenglieder aus einzelnen Köpfen bestanden.
Jane richtete sich vorsichtig auf. Sie wollte nichts abrupt tun, immer nur langsam, und sie spürte in ihrem Schädel das Pochen. Der Wein war doch ziemlich schwer gewesen.
Leider hatte er in ihr auch eine gewisse Trägheit ausgelöst. Sie dachte an Schlamm, der anstelle des Blutes durch ihre Adern floss, und sie fühlte sich auch so.
Die Einrichtung des Zimmers zeigte einen alpenländischen Charakter. Viel helles Holz, ein Bauernschrank, die Bank mit dem blauen Polster, davor der Tisch und die Stühle. Mehr kannte Jane nicht, bewusst jedenfalls hatte sie die anderen Räume nicht wahrgenommen. Sie strich müde über ihr Gesicht.
»Es geht dir nicht gut, wie?«
Ihre Hand sank nach unten. »Wie sollte es mir denn gut gehen, Francine? Ich habe…«
»Ja, ja.« Sie ließ Jane nicht ausreden. »Es ist immer schwer, wenn du den Wein zum ersten Mal zu dir nimmst. Das wird sich später ändern. Du gewöhnst dich an ihn.«
Selbst die Zunge lag Jane schwer im Mund. Sie schaute Francine Joy an, die auf einem der Holzstühle verkehrt herum saß und die Arme auf der Rückenlehne verschränkt hatte. »Ich glaube, du unterliegst einem Irrtum, Francine.«
»Inwiefern?«
Jane hob die Schultern. »Du hast es sicherlich gut gemeint, aber ich denke da anders. Weißt du, ich gehöre nicht zu dir. Es mag sein, dass du etwas an mir wahrgenommen hast, was sich in keine Schublade einordnen lässt, aber so ist es nun mal nicht.«
»Wie denn?«
»Ich will ehrlich sein.«
»Darum bitte ich!«
»Normalerweise kommt man her, um Urlaub zu machen. Das war auch bei mir der Fall. Gleichzeitig jedoch bin ich hier, um jemanden zu beobachten. Es ist ein Mann, ein Verbrecher. Er stammt aus London, wo er eine sehr große Macht besitzt. Vielleicht sagt dir der Name Logan Costello etwas.«
Sie überlegte. »Verbrecher?«
»Ja, ein mächtiger Gangster.«
»Mafia?«
»Richtig.«
Die Joy legte die Hände so zusammen, dass sich nur die Fingerspitzen berührten. »Ja«, erklärte sie, »das stimmt. Ich habe nachgedacht, und ich weiß jetzt Bescheid. Sehr gut sogar. Er ist mir ein Begriff. Er regiert die Londoner Unterwelt. Er hat sogar versucht, Einfluss auf den Sender zu gewinnen. Es gelang ihm nicht.« Sie lächelte. »Andere Kräfte waren stärker.«
»Dann weißt du auch, wie gefährlich er ist.«
»Ja, das glaube ich schon.« Sie fixierte Jane. Der kam es vor, als würden Schlangenaugen sie ansehen, und plötzlich fühlte sich Jane unbehaglich. »Aber was hast du mit ihm zu tun?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Nein, Jane, ich kann es nicht. Da muss mir irgendetwas entgangen sein.«
»Mein Beruf, zum Beispiel.«
»Ah, ja - du bist Privatdetektivin! Arbeitest du für einen besonderen Auftraggeber?«
»Du weißt, dass wir unseren Klienten gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet sind«, erwiderte Jane, um weiteren Fragen aus dem Wege zu gehen.
»Und du wagst es, ausgerechnet Costello zu bespitzeln?« Francine fragte, und es klang unglaubwürdig. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Weißt du eigentlich, was du dir da aufgeladen hast?«
»Ich bin mir dessen bewusst.«
»Dann kann ich deinen Mut nur bewundern. Das heißt, du kannst froh sein, mich getroffen zu haben.«
»Tatsächlich?«
»Ja, denn du und ich, wir sind seelenverwandt. Wir stehen auf einer
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