0673 - Raumschiff Erde
herüber und beobachteten mich, wie ich den Empfänger justierte, bis ich die wahre Einfallsrichtung des Signals ermittelt hatte.
„Mitten in den Bergen", knurrte ich wütend. „Genau da, wo sie am dichtesten sind. Marabor, bestimmen Sie zwei Mann, die mit uns kommen, und machen Sie sich fertig!"
8.
Die SISTINA landete auf einem Plateau in mehr als fünftausend Metern Höhe. Während der wenigen Minuten vor der Landung hatte ich eine Detailkarte des Newton-Massivs studiert und festgestellt, daß der Ort, von dem das Signal kam, mitten in einer tief eingeschnittenen Schlucht mit annähernd senkrechten Wänden lag. Für eine Suche nach einem Unbekannten, der die Landung der SISTINA sicherlich beobachtet hatte und daher wußte, daß er gesucht wurde, war das ein denkbar gefährliches Gelände. Die Schluchtoberkanten lagen auf einer Höhe von etwa zwölfhundert Metern über Normalnull. Die Detailkarte wies aus, daß die Sohle der Schlucht einige hundert Meter unter Nomalnull lag, also unter der Höhe des Meeresspiegels, wie man auf der Erde gesagt hätte. An der Stelle, um die es uns ging, betrug die Weite der Schlucht an den oberen Rändern knapp einhundert Meter, während sie auf der Sohle siebzig Meter maß.
Marabor, ich und zwei junge Leutnante hatten flugfähige und mit Individualschirm ausgestattete Raumschutzmonturen angelegt. Wir kletterten in den Raumgleiter, den die SISTINA als einziges Bordfahrzeug mit sich führte, und schossen durch das offene Hangarschott hinaus ins matte Zwielicht. An Bord des Raumschiffs hatte Major Ruitkon das Kommando übernommen.
Er war angewiesen, uns über jede bemerkenswerte Entwicklung im interplanetarischen Raum sofort in Kenntnis zu setzen und im übrigen einen Radiokomkanal für unsere Durchsagen offenzuhalten.
Einer der beiden jungen Offiziere führte das Steuer. Rando Weber und Fellukh Tingdam, beide ein wenig über dreißig Jahre alt und damit noch „blutjung", waren mir als Besatzungsmitglieder an Bord der MARCO POLO aufgefallen. Im normalen Leben gaben sie vor, einander wie die Pest zu hassen. Im Ernstfall jedoch arbeiteten sie reibungslos zusammen und bildeten ein Team, das Wunder verrichten konnte. Fellukh Tingdam, ein Insulaner von den Lakkadiven, war klein und rundlich und hatte das stoische Gemüt eines Mannes, der alles vom Schicksal vorausbestimmt weiß. Rando Weber dagegen, etwa einen Kopf größer und ziemlich schmal gebaut, mit einem asketischen Schädel, weit hervorspringender Nase, großen, meist sorgenvoll dreinblickenden Augen und pechschwarzen, kurzen Haaren war ein wahres Nervenbündel, von dem man sich fragte, wie es im Ernstfall die Gedanken so zusammenhalten könne, wie es zu planvollem Handeln erforderlich war. Aber man täuschte sich da in Rando Weber. Sobald die Lage kritisch wurde, fiel alle Nervosität von ihm ab und er wurde zu einem kühl reagierenden, blitzschnell die Situation überschauenden Rechner.
„Was, glauben Sie, hat der Kerl vor?" hörte ich Efrem Marabor plötzlich fragen.
Wir hatten die Monturen bereits geschlossen. Die Verständigung erfolgte über Helmfunk.
„Das sagen Sie mir", antwortete ich ein wenig gereizt. „Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung."
„Ich habe ein wenig nachgedacht", meinte er, ohne meine Gereiztheit zur Kenntnis zu nehmen. „Unsere erste Sorge, wenn ein gegnerischer Agent auf dem Merkur landet, gilt selbstverständlich dem Gezeitenwandler. Aber wird jemand, der den Wandler knacken will, also zum Nordpol muß in dieser Gegend landen?"
Das war dieselbe Frage, über die ich mir schon dauernd den Kopf zerbrach - bislang ohne Ergebnis.
„Nicht, solange er die Kontrolle über den Transportvorgang hat", antwortete ich. „Aber bedenken Sie die Lage. Der Mann befand sich an Bord eines Raumschiffs, von dem er wußte, daß ihm in jeder Sekunde von unserer Flotte der Garaus gemacht werden konnte. Trotzdem versucht er, den Absprung so lange wie möglich hinauszuzögern. Je näher er Merkur im Augenblick des Absprungs ist, um so geringer die Gefahr, daß er bemerkt wird. Die Justierung eines Transmitters hängt davon ab, wie groß die zu überbrückende Entfernung ist. Der Unbekannte war also dauernd am Justieren. Jede Sekunde mußte er eine neue Einstellung vornehmen. Und dann kommt endlich der Augenblick, in dem sein Raumschiff von unseren Salven so schwer erschüttert wird, daß er nun springen muß - ob er will oder nicht.
Können Sie sich vorstellen, daß er in diesem Augenblick
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