0677 - Das Haus der Hyänen
Das langgezogene Klagen und Jaulen, denn diesmal heulten mehrere Hyänen zugleich, und Jana Jaschin schloss sekundenlang die Augen.
Die Töne verebbten. Für beide klang es wie ein schauriger Abschiedsgesang.
Tief atmete Jana durch. »Ich sage Ihnen, Wladimir, diese Tiere geben sich nicht mit einem Toten zufrieden. Die wollen mehr, viel mehr, nämlich uns.«
»Das befürchte ich auch.«
Jana schaute den KGB-Mann nachdenklich an. »Und welche Maßnahmen schweben Ihnen als Abwehr vor?«
»Diese hier.« Er griff unter seine Jacke und holte die schwere Pistole hervor.
Damit konnte er die Frau nicht beeindrucken, denn sie schüttelte den Kopf. »Muss ich Ihnen sagen, dass man den Teufel nicht mit einer derartigen Waffe bekämpfen kann?«
»Das brauchen Sie nicht.«
»Dann ist sie nutzlos.«
»Für den Teufel vielleicht, nicht aber für seine Diener. Ich werde den Hyänen eine Kugel in ihr Fell brennen, darauf können Sie sich verlassen Jana.«
Die alte Frau hob nur die Schultern, füllte ihr Glas noch einmal nach und nahm es mit als sie in Richtung Treppe ging, um nach oben zu verschwinden…
***
Draußen lag die Kälte wie ein eisiger Vorhang, und in der kleinen Halle ballte sich die Wärme zusammen, abgegeben von einem Kanonenofen.
Ich kam mir vor, als hätte man mich in eine andere Zeit hineinversetzt.
Weg aus der Gegenwart und zurück in die Epoche kurz nach der Jahrhundertwende, wo der Jugendstil »in« gewesen war.
So sahen auch die Möbel aus, die in der kleinen Halle standen. Eine viel zu hohe Decke für die geringen Ausmaße des Raumes. Dunkelbraune Möbel, Zwitter aus Schrank und Kommode. Ein Fußboden aus Holz, der vom vielen Scheuern blank geworden war. Auch das Holz an der Rezeption war dunkel gebeizt worden, was sich ebenfalls auf das Licht niederschlug, denn viel Helligkeit gab der kleine Lüster unter der Decke nicht ab. Er roch nach Staub, nach Vergangenem, einfach nach dem Mief der Jahrzehnte, den auch eine Renovierung kaum wegscheuchen konnte.
Die Zimmer lagen in den oberen drei Etagen. Es waren mehr Kammern als Räume, aber ich war froh, überhaupt untergekommen zu sein und wartete auf meinen Freund vom KGB, Wladimir Golenkow.
Dass es um Hyänen und einen von ihnen getöteten Mann ging, wusste ich. Mehr war mir allerdings nicht bekannt. So hoffte ich denn, dass Wladimir bald kam, um mich über weitere Details zu informieren.
Ich hatte mit der Abreise aus London gezögert, denn ich hatte einfach in der Stadt sein wollen, falls eine Nachricht von Suko eintraf. Er war in Indien verschollen, weil er nach wie vor versuchte, die Kraft seines Stabs zurückzugewinnen.
Er hatte alles hingeworfen, seine Vergangenheit vergessen und war nur von diesem einen Gedanken beseelt gewesen. Keiner hatte ihn aufhalten können. Mittlerweile waren mehrere Tage vergangen, und wir hatten von ihm noch immer nichts gehört.
Das deprimierte mich. Schließlich bildeten Suko und ich ein Team, das auch sehr erfolgreich gearbeitet hatte und nun auseinandergerissen war.
Darunter litt ich. Mein Gefühl war auch nicht besser gewesen, als wir zuletzt den Erfolg gegen Francine Joy errungen hatten, die von ihrer eigenen Ahnherrin als Verräterin angesehen und in den Sumpf gezogen worden war.
Von dieser Hexenfront drohte uns zunächst keine Gefahr, und auch der TV-Sender musste sich für sein Programm eine neue Sexberaterin aussuchen, denn diesen Job hatte die Joy ausgeführt.
Das Jahr war noch so jung und hatte bereits dieses schlimme Omen gezeigt. Natürlich hoffte ich, dass es Suko trotz allem würde schaffen können, aber ich sah da schwarz. In Indien standen ihm einfach zu viele Feinde gegenüber, das hatte ich am eigenen Leibe erleben müssen, als ich den falschen Buddha jagte.
Und jetzt saß ich in Russland, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. In einem gottverlassenen Kaff namens Kwitsche, das von der Zeit einfach überrollt worden war, wie so viele Orte in diesem Riesenreich.
Dass es ein Hotel gab, wo ich mich aufhalten konnte und nicht auf der Straße hocken musste, konnte ich dem Militär verdanken, das in der Nähe einen Stützpunkt besaß. Trotz der muffigen Atmosphäre ließ es sich hier aushalten.
Und es gab auch einen Lichtblick, eine junge Frau, die zu den Gästen gehörte, ebenfalls in einem der alten Sessel in der Halle hockte und eine russische Zeitung las.
Da umwob rabenschwarzes Haar ein etwas blasses Gesicht, das durch die hochstehenden Wangenknochen einen typisch
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