0677 - Das Haus der Hyänen
es zwar nicht gern, doch manchmal kann Wodka auch Medizin sein.« Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, was das Gesicht weicher machte.
Ihm saß eine ältere Frau gegenüber, die automatisch nickte. Es stand nicht einmal fest, ob dieses Nicken Zustimmung signalisieren sollte. Sie war zu sehr in den eigenen Gedanken versunken und schaute nicht hoch, als Wodka in zwei Gläser gluckerte. Ansonsten war es bis auf das Summen der Heizung still. Der Körper stand unter dem Fenster. Er besaß noch eine bauchige Form. Sein grüngelber Lack blätterte ab. In Moskau war es bitterkalt. Ein Hochdruckgebiet aus dem Nordosten hatte die sibirische Kälte und den strahlenden Himmel in und über die Stadt getragen.
Die Frau hatte den alten Mantel abgelegt. Er hing über der Lehne des zweiten Stuhls. Das Kopftuch hatte sie aufbehalten. Es machte ihr Gesicht schmal. Die dicke Strickjacke, der Pullover, der lange Rock, die gefütterten Stiefel, all das pumpte die Person auf, so dass ihr schmales Gesicht mit den traurigen Augen eigentlich nicht recht dazu passen wollte.
»Trinken Sie einen Schluck, Jana!«
Die Frau schaute Wladimir Golenkow an. Sie schrak dabei zusammen, als wäre sie aus einem tiefen Traum erwacht. Dann schaute sie zu, wie der hochrangige KGB-Mann ihr das Glas über die Schreibtischplatte hinweg entgegenschob. Sie umfasste es mit zitternden Fingern.
Ruckartig kippte sie den Wodka.
Golenkow ließ ihr Zeit. Er musste sie der Frau zugestehen, denn sie hatte Probleme, sonst wäre sie nicht zu ihm gekommen. Einige Andeutungen hatte sie bereits von sich gegeben. Die waren nicht eben optimistisch gewesen. »Noch ein Glas?«
»Nein, danke. Ich freue mich, dass ich zu Ihnen kommen durfte.«
Golenkow winkte ab. »Das war doch selbstverständlich.«
»Sie haben damals meinem Sohn geholfen.«
»Es war eine Gefälligkeit.«
Jana Jaschin regte sich auf. »Nein, das war mehr, ich weiß es. Jetzt ist er in Moskau. Er hat eine gute Stellung, aber ich konnte nicht zu ihm.«
»Sie haben Probleme?«
»Sicher.«
»Geht es um Ihren Mann? Sie machten eine Andeutung.« Golenkow stellte die Flasche wieder weg. Sein Glas hatte er nicht einmal zur Hälfte geleert.
Jana nickte heftig. Sie wechselte aber das Thema und fragte flüsternd, als könnte jemand heimlich zuhören: »In welchen Gestalten kann sich der Teufel zeigen?«
Golenkow lehnte sich zurück. Er wollte nicht zeigen, dass ihn die Frage alarmiert hatte. »Das ist natürlich nicht einfach zu beantworten«, murmelte er. »Man kann das sehr philosophisch betrachten, aber auch anders sehen.«
»Ich bin mehr für das andere.«
»Gut, meine Liebe. Und wie soll ich das anders sehen? Besitzen Sie bereits eine Vorstellung davon?«
Für einen Moment klärten sich ihre Augen, der Blick bekam eine gewisse Schärfe. »Ja, die habe ich, denn ich bin davon überzeugt, dass mein Mann Oleg vom Teufel getötet wurde. Zumindest von seinen Helfern. Das Böse hat sich manifestiert, auf unserem alten Friedhof, in einem ausgehobenen Grab. So war es.«
Golenkow überlegte einen Moment. »Und wie soll sich das Böse manifestiert haben?«
»In der Gestalt einer Hyäne.« Golenkow sagte zunächst nichts. Dann zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch gegen die Wand. »Seien Sie mir nicht böse, aber das müssten Sie mir genauer erklären.«
»Deshalb bin ich hier. Ich fand meinen Mann tot in einem offenen Grab liegend. Er ist schrecklich zugerichtet worden. Aber er lag nicht allein dort. Das Zeichen oder die Manifestation des Teufels befand sich ebenfalls dort.«
»Die Hyäne?«
»Es waren zwei tote Tiere. Und Oleg war ebenfalls tot. Zerfleischt. Eine Hyäne lag im Sarg, die Oleg zerhackt hatte. Er war gegangen, um nachzuschauen, und er schien genau gewusst zu haben, dass er dem Tod entgegenschritt.«
Wladimir Golenkow strich durch die Haarbürste. »Bitte«, sagte er, »jetzt mal der Reihe nach, bitte.«
»Gern.« Sie schob das Glas wieder näher. »Darf ich noch einen kleinen Schluck haben?«
»Sicher.«
Jana bekam ihn und fing an, mit monoton klingender Stimme einen Bericht abzugeben. Sie schien sich bereits daran gewöhnt zu haben, dass sie Witwe geworden war, denn in ihrer Stimme klangen auch jetzt keine Emotionen durch.
Der KGB-Mann senkte den Kopf. »Wer hat eine Hyäne begraben, und warum tat er das?«
»Ich weiß es nicht.«
Die Antwort klang ihm ehrlich genug, um keine weiteren Fragen in dieser Richtung zu stellen. Dafür redete sie weiter. »Er hat mich
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