0677 - Yaga, die Hexe
hatte sich nicht gerade verbessert dadurch, daß sie aus dem aufgezwungenen Alltagstrott wieder ausbrachen und hierher verschwanden.
»Verstecken ist aber auch nicht unbedingt das, was ich unter ›aktiv werden‹ verstehe«, kritisierte Nicole, während sie die kärgliche Mahlzeit mit Zamorra teilte, um wenigstens den gröbsten Hunger zu stillen. »Was sollen wir von hier unten aus anstellen? Ich glaube kaum, daß wir auf diese Weise in direkten Kontakt zum Herzog kommen. Vergiß nicht - wir suchen diese ominöse Puppenspielerin.«
Zamorra nickte.
»Schon richtig. Ich sehe das hier auch nicht unbedingt als Versteckspiel an. Eigentlich wollte ich die unterirdischen Räume schon gestern ein wenig in Augenschein nehmen. Geheimnisse verbergen sich meistens im Keller. Hier gibt es geheime Gänge, von denen wohl höchstens Seine Hoheit selbst etwas weiß. Die Tür, die hierher führt, war mit einem sehr guten Schloß gesichert.«
»Und wie hast du das geöffnet?« fragte Nicole mißtrauisch.
»Ein paar kleine Zaubertricks kratze ich auch noch ohne das Amulett und ohne Dhyarra-Kristall zusammen«, grinste der Meister des Übersinnlichen. »Ich gehe mal davon aus, daß das gemeine Personal keinen Schlüssel hat und die höheren Chargen sich kaum hier hinab bewegen, um nach uns suchen zu lassen, weil wir ja auch keinen Schlüssel haben können. Somit sind wir hier sicher.«
Nicole zuckte mit den Schultern. »Sicher oder nicht - wir sind hier auch weit im Abseits. Und ich habe keine Lust, hier tatenlos herumzuhocken und Zeit zu vergeuden. Also - wie packen wir's an?«
»Zügig«, erwiderte Zamorra. Er nahm die rußende Fackel, die unruhiges Flackerlicht verbreitete, aus der Wandhalterung - diese Halterungen gab es, wie er festgestellt hatte, in mehr oder weniger großen Abständen. Am Boden darunter lagen jeweils weitere Fackeln. Jemand hatte gut vorgesorgt, um beim Durchwandern der Korridore und Räume nicht überraschend im Dunkeln zu stehen. Anhand des Lichtscheins hatte Nicole ihren Gefährten auch überhaupt erst entdeckt - als sie sich verabredeten, hatten sie beide einen der Kellerzugänge bezeichnet, und dort hatte Nicole dann eine Tür nach der anderen geöffnet und hatte schließlich am Ende dieses düsteren Korridors Licht gesehen. Dem Schein war sie gefolgt.
Es gab noch eine Reihe von Abzweigungen, und hier und da waren kleinere oder größere Kammern ausgebaut worden. Keiner von beiden hatte bisher einen Blick hineingeworfen; es roch darin nach Moder und Unrat. Wer mochte wissen, was alles hier einst eingelagert worden und in Vergessenheit geraten war. Lebensmittel für Notzeiten, angekettete Gefangene…
»Ich hatte übrigens heute sehr früh noch das zweifelhafte Vergnügen, wieder in Kontakt mit unserer recht überheblichen ›Kollegin‹ zu kommen, die ihre spitzen Bemerkungen gestern nicht lassen konnte«, sagte Nicole leise, während Zamorra voranging und sie ihm folgte. »Offenbar haben Herr Herzog und Frau Herzogin mit ihr einen flotten Dreier durchgezogen, und ich durfte dann die erschöpft eingeschlafene Liebesdienerin abräumen. Hat richtig Spaß gemacht, das arrogante Luderchen im Evaskostüm durch fast die ganze Burg zu schleppen und so viel breit grinsenden Leuten wie möglich dabei zu begegnen. Ich wußte bisher gar nicht, wie schön es ist, Umwege zu gehen - und wie rachsüchtig ich sein kann.«
»Im Evaskostüm - du oder sie?« schmunzelte Zamorra, der seiner Gefährtin in dieser Hinsicht auch so allerlei zutraute.
»Sie natürlich!« erklärte Nicole energisch. »Du glaubst doch nicht, daß ich freiwillig nackt durch diese Raubritterburg laufe? Das ist hier schließlich nicht Château Montagne! Wenn wir wieder zu Hause sind, hole ich's gern nach.«
»Hm«, machte Zamorra.
»Als ich diese Frau durch die Burg transportierte, hatte ich das Gefühl, ich müßte sie kennen«, sagte Nicole. »Wir wissen ja, daß sie uns zu kennen scheint. Aber… ich kann sie nur nirgendwo unterbringen. Aber ich weiß, daß wir schon mal mit ihr zu tun hatten.«
Zamorra, der stehengeblieben war, sah Nicole nachdenklich an. Plötzlich stutzte er. »Was ist das denn?« fragte er und deutete auf den im Fackellicht funkelnden Stein, der an einer dünnen Schnur vor ihrem Hals hing.
»Das ist der Stein, den ich im Wald gefunden habe, als wir in dieser Zeit ankamen«, erinnerte Nicole ihn. »Ich habe ihn die ganze Zeit so mitgeschleppt, und jetzt bot sich die Gelegenheit, durch ein kleines Loch eine Schnur zu
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