0678 - Der Zauberschädel
Gestalt nicht mehr in diese Welt. Ich bin in ihr nur ein Suchender, ein Reisender, der etwas finden will. Mein Erscheinen hier hatte nur den Grund, um dich zu beruhigen und dir zu zeigen, dass ich noch existiere. Was immer du auch unternehmen willst, denke daran, dass du mir die Seele rauben könntest.«
»Nicht die Seele, Suko. Sie ist unsichtbar. Was ich hier in meinem Büro sehe, ist etwas anderes. Ich sehe es als deinen Astralleib an. Verstehst du das?«
»Es stimmt.«
»Und ihn kann ich…«
Sukos Gesicht verzog sich, und Schmerzen zeichneten sich darin ab.
»Du kannst und darfst nichts, John. So glaub mir doch endlich. Ich muss das allein durchstehen.«
»Diesmal nicht!«
Ich griff nach meinem Kreuz, eine völlig harmlose Bewegung, aber nicht für den Vogel.
Er plusterte sich plötzlich auf. Beirren ließ ich mich nicht und hörte Glenda Perkins' Schrei. Sie stand noch immer an der Tür und hatte alles mit angesehen.
»Vorsicht, John!«
Ihre Warnung war nicht unberechtigt. Denn urplötzlich schoss der Vogel vor.
In meinem Büro hatte ich schon allerlei erlebt, aber noch nie mit einem Riesenvogel gekämpft. Er kam mir doppelt so groß vor, seine Schwingen waren wie breite Peitschen, und als er sich abstieß, hörte ich Sukos Stimme.
»Ich habe dich gewarnt, John! Ich habe dich gewarnt…«
***
Wieder in Indien - der Felsen der Weisheit. Versteckt in einem bleichen Knochenschädel, dessen Inneres ein Hort der Magie war und als Zentrum den Spiegel besaß.
In ihm stand Suko.
Der echte Suko, der dreidimensionale, der sein zweites Ich auf die lange Reise geschickt hatte und nun trotz der Entfernung miterleben musste, wie es und John Sinclair reagierten.
Er hätte es ahnen, er hätte es wissen müssen, dass John Sinclair nicht so leicht zu überzeugen war, dass er stets nachhakte und in gewissen Situationen kein Pardon kannte.
Es war einfach schlimm, denn der echte Suko erlebte den Widerstand ebenso mit wie sein zweites Ich.
Er schaute nach vorn, aus dem Spiegel heraus. Der Vogel und die schimmernde Gestalt waren verschwunden. Nur Duvalier stand noch dort, und in seinen Augen lag ein geheimnisvolles Glühen, als wüsste er über alles genau Bescheid.
Er sagte kein Wort, nur auf seinem Gesicht war zu lesen, dass es ihm nicht gefiel. Er merkte von den Schwierigkeiten, die Sukos zweites Ich bekam.
»Was hast du getan?«
Seine Frage drang wie ein dumpfes Flüstern durch die Spiegelfläche an Sukos Ohren.
»Ich… ich musste zu einem Freund. Ich konnte nicht anders. Mein Gefühl handelte so.«
»Wieso dein Gefühl?«
»Er ist ein Freund. Ich war verschollen.«
»Nein!« keuchte Duvalier. »Sollte ich mich so in dir getäuscht haben? Du kannst nicht anders handeln, du darfst es nicht. Du mußt dich an unsere Gesetze halten. Wenn nicht, dann…«, er ließ die Drohung unausgesprochen, zeigte aber dennoch, was er darunter verstand, denn er holte unter seinem langen Umhang einen langen Stab hervor, der mit einem gefährlichen Mechanismus ausgestattet war. Als er auf einen Knopf drückte, da schnellten aus dem Loch an der Spitze drei kleine Messer hervor, die zitterten wie Federn.
»Las es sein?« warnte er. »Ich wäre sonst so enttäuscht, dass ich dich töten müsste.«
»Ich kann nicht!« schrie Suko. Er merkte sehr deutlich, was in London mit seinem zweiten Ich geschah.
»Doch, du mußt können!«
»Nein!« schrie Suko aus dem Spiegel. »Warte noch. Gib mir eine letzte Chance.«
Duvalier hatte den Arm mit seiner Waffe bereits vorgestreckt. Die drei Messer standen wie die Arme kleiner Fächer dicht vor dem Spiegel und waren nur mehr eine Handbreit von Sukos Hals entfernt, um ihn in einen blutigen Springbrunnen verwandeln zu können…
Der schwarze Vogel griff an. Er war schnell und füllte mit seinem Körper die gesamte Zimmerbreite aus. Aus seinem Maul drang ein scharfes Krächzen, das sich anhörte wie eine menschliche Stimme, die sich beschweren wollte.
Der Schnabel war scharf wie ein Messer, obwohl er aus zwei Hälften bestand. Er bewegte sich ebenso schnell wie der Kopf, und er hackte auf mich nieder.
Ich hatte meine Waffe nicht gezogen und versuchte es zunächst mit den Händen. Die Faustschläge trafen den Kopf des Vogels und schleuderten ihn zurück. Dafür erwischte mich eine der flatternden Schwingen und brachte mich aus dem Konzept. Ich flog gegen meinen Schreibtisch, räumte dort einiges ab und sah aus den Augenwinkeln Glenda Perkins an der Tür stehen, die eigentlich hätte
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