0678 - Flucht aus der Ewigkeit
sobald mein damit bisher beauftragter Kollege mir Einsicht in das Testament gewährt. Ich denke aber, dass der Erbe benachrichtigt werden muss. Immerhin wurde Mister Tendykes Ableben niemals öffentlich gemacht.«
»Moment, sehe ich das richtig, dass Seneca bei der Testamentseröffnung selbst nicht zugegen war?« hakte Nicole nach.
Uschi Peters nickte. »Das ist es ja -wir wissen überhaupt nichts von ihm. Da leben wir jahrelang mit Rob zusammen, und plötzlich sind wir weg vom Fenster, und jemand, von dem auch Rob nie gesprochen hat, ein völlig Fremder, soll sich ins gemachte Nest setzen!«
Nicole signalisierte den Zwillingen telepathischen Kontakt. Wir haben schon im Château darüber gegrübelt -könnte es sein, dass Seneca mit Assi identisch ist?
Als Antwort nahm sie Erschrecken wahr. Was können wir dann dagegen tun? kam es von den Zwillingen gemeinsam zurück.
Vielleicht könnte Merlin intervenieren, schlug Uschi vor. Kannst du nicht Kontakt mit ihm aufnehmen, damit er sich der Sache annimmt? Es folgte ein emotionales Bild, das Nicole bekräftigte, wovon sie ohnehin ausging, weil sie die Zwillinge eben sehr gut kannte: Es ging ihnen nicht darum, aus Robert Tendykes Tod Kapital zu schlagen und groß abzukassieren. Beide hätten sich eher gewünscht, dass er lebend aus Avalon zurückkehrte. Denn arm würden sie auch ohne die Firma nicht sein. Aber sie hatten diesen Mann geliebt. Sonst wären sie damals kaum ausgerechnet bei ihm hängen geblieben, obgleich sie sich zuvor ständig in der ganzen Welt herumgetrieben hatten, um etwas zu erleben. Diese Weltenbummler-Leidenschaft und ihre Unabhängigkeit hatten sie aufgegeben, um mit Tendyke Zusammensein zu können. Natürlich hatten sie ihn auch oft bei seinen Abenteuern in allen Teilen der Welt begleitet, aber all das war dann natürlich durch ihn fremdbestimmt gewesen. Nicole ahnte, dass es den beiden nicht ganz leicht gefallen war, sich anzupassen und unterzuordnen.
Merlin? gab Nicole telepathisch zurück. Mit dem sind wir derzeit ziemlich auf Kriegsfuß. Er wird uns kaum diesen Gefallen tun.
Was ist denn da passiert? fragten die Zwillinge.
Ist 'ne lange Geschichte und hat mit der Baba Yaga zu tun. Merlin war der Ansicht, uns als seine willigen Werkzeuge herumschieben und einsetzen zu können. Er zwang uns, Dinge zu tun und zu erleben, die nur seinem ganz persönlichen Interesse dienten. Zum Schluss hat Zamorra ihn sogar bedroht, und Merlin ist gegangen. Nicht gerade die ideale Ausgangsbasis, den alten Zauberer jetzt um Hilfe zu bitten.
Stimmt wohl. Also müssen wir uns tatsächlich selbst darum kümmern.
Sieht so aus. Tut mir leid.
Muss es nicht. Es passiert eben.
Der telepathische Kontakt war an den anderen unbemerkt vorbeigegangen. Parallel zu den »Worten« hatte Nicole den Zwillingen ihre Erinnerungsbilder an die erst kurz zurückliegenden Ereignisse übermittelt, an die unfreiwillige Zeitreise in die Epoche des Hundertjährigen Krieges und an die ›Puppenspielerin‹. [5]
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Hawkins gerade. »Entweder fechten wir das Testament sofort an, oder wir warten ab, ob dieser Seneca sich meldet.«
»Was bedeutet das in der Praxis?« fragte Monica. »Verzeihung, Mister Hawkins - wir beide«, sie deutete auf ihre Schwester, »stammen aus Germany und kennen uns mit den hiesigen Gesetzen nicht besonders aus. Wir haben zwar eine langfristige Aufenthaltserlaubnis, aber…«
Hawkins winkte ab. »Ist immer hilfreich, aber hier von untergeordnetem Interesse. Wenn wir sofort anfechten, sind wir auf der sicheren Seite, um Ansprüche anzumelden. Ob wir sie durchsetzen können, kann ich in allen verfügbaren Optionen nicht garantieren. Wenn wir warten, bis Seneca auftaucht, kann man uns vorwerfen, spekuliert zu haben - zumindest ich würde das tun, und es stimmt dann ja auch. Aber falls Seneca nicht auftaucht, hätten wir die besseren Karten. Denn dann würde, solange es keine anderen Erben gibt, der Besitz des Verblichenen an Uncle Sam fallen. Andererseits wäre dann da - Sie haben doch einen gemeinsamen Sohn, nicht wahr?«
»Julian«, sagte Uschi.
»Sie müssten sich dann mit ihm als dem nächsten Blutsverwandten des Erblassers einigen oder Ihre Ansprüche juristisch gegen ihn durchsetzen.«
»Glauben Sie im Ernst, wir würden das tun?« empörte sich Uschi.
»Wir würden niemals gegen unseren Sohn juristisch vorgehen«, pflichtete Monica bei. »Er kann gern alles bekommen.«
Hawkins hob sekundenlang die Brauen bei der
Weitere Kostenlose Bücher