0679 - Der Schrecken von Botany Bay
Vorausgesetzt, man brachte das nötige Kleingeld mit, ein Zustand, an dem beide Männer hart arbeiteten.
»Sie glauben also, das Pack würde meutern«, sagte er langsam. »Was würden Sie an meiner Stelle tun, um ein wenig besser zu verdienen?«
»Sir, an Ihrer Stelle würde ich einen vertrauenswürdigen Untergebenen mit ein paar Flaschen Rum zum Proviantmeister schicken und ihn bitten, die Gewichte, die er benutzt, um die Rationen der Gefangenen abzuwiegen ein wenig… nun sagen wir, unseren Vorstellungen anzupassen. Kein Gefangener wird es wagen, den Proviantmeister des Betrugs zu bezichtigen. Das wäre eine Beleidigung eines Offiziers und würde mit mindestens 300 Peitschenschlägen bestraft. Und nichts fürchtet das Pack so sehr wie die Peitsche, Sir.«
Rum, dachte Grose, die einzige Währung, die hier am Ende der Welt noch Bestand hat. Kein Wunder, dass man uns das Rum Corps nennt.
»Eine gute Idee, John«, entgegnete er laut. »Sorgen Sie dafür, dass sie ausgeführt wird.«
»Ja, Sir.«
Der Major blieb einen Moment am Fenster stehen und betrachtete den klaren, blauen Himmel.
»Heute ist die erste Nacht des Vollmonds«, sagte er dann. »Werden Sie mich wie üblich begleiten?«
Der Captain zögerte kurz. Das war die wohl unangenehmste Aufgabe, die er als Adjutant des Majors zu erledigen hatte, aber die Vorteile, die er durch das freundschaftliche Verhältnis zu seinem Vorgesetzten erhielt, waren so groß, dass sie alle Unannehmlichkeiten wettmachten.
»Selbstverständlich, Sir. Es wird mir eine Ehre sein.«
Grose lächelte. »Wissen Sie, John, manchmal danke ich Gott, dass er mich auf diesen Posten gesetzt hat. Bis ans Ende der Welt musste ich reisen, um hier mein Paradies zu finden.« Captain John Macarthur spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief.
***
Das Pferd wieherte, als Zamorra plötzlich aus dem Gras sprang, und bäumte sich voller Panik auf. Der Reiter schrie und rutschte seitwärts aus dem Sattel. Die Muskete entglitt seinen Händen. Sie prallte auf dem Boden auf. Der Reiter folgte ihr nur Sekunden später.
Schwerfällig versuchte der Soldat wieder auf die Beine zu kommen, aber Zamorra war sofort neben ihm und versetzte ihm einen Schlag mit der Handkante. Der Mann stöhnte kurz und sackte zusammen.
Der Dämonenjäger drehte sich um.
Der Schwarze war stehen geblieben, als er den Tumult hinter sich hörte. Jetzt kam er langsam auf Zamorra zu. In einer Hand hielt er immer noch das wild flatternde Huhn. Er bückte sich und griff mit der anderen nach der Muskete.
Zamorra machte einen Schritt auf ihn zu.
»Nein«, sagte er deutlich. »Das Gewehr bleibt, wo es ist.«
Der Schwarze wich zurück. Entweder hatte er die Worte verstanden oder die Geste begriffen. Der Parapsychologe betrachtete den Mann, der bis auf einen Strick, den er um den Bauch gebunden trug, völlig nackt war. Zwischen Strick und Haut steckte ein merkwürdiger flacher Holzgegenstand, der wie ein abgerundeter rechter Winkel aussah. Das lange, krause Haar stand wirr vom Kopf des Mannes ab. Er sah nicht wie ein Afrikaner aus. Die Gesichtszüge waren völlig anders. Irgendwie zerklüfteter.
Der Schwarze bemerkte seinen Blick und streckte ihm vorsichtig die Hand entgegen, in der er das Huhn hielt.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Wenn du schon für ein Huhn dein Leben riskierst, dann sollst du es auch selber essen.«
Irgendwo wieherte ein Pferd.
Der Dämonenjäger fuhr herum. In der flirrenden Hitze sah er in einiger Entfernung vier rote verwaschene Flecke. Sie sahen aus wie Klatschmohn in einem Weizenfeld.
Soldaten, erkannte er. Der Wind wehte ihre aufgeregten Rufe herüber. Anscheinend hatten die Uniformierten sie entdeckt, denn sie trieben ihre Pferde zum Galopp an. Ein einzelner Schuss wurde abgefeuert, verlor sich aber irgendwo im Busch. Die Soldaten waren noch zu weit entfernt, um gezielt schießen zu können.
»Scheiße«, sagte Zamorra deutlich. Er hatte eigentlich gehofft, nach seinem Angriff unauffällig verschwinden zu können, aber das Auftauchen der Soldaten durchkreuzte seinen Plan.
Kurz sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um und entdeckte das friedlich grasende Pferd des Uniformierten, den er niedergeschlagen hatte. Ohne zu zögern griff er nach den Zügeln und schwang sich in den Sattel. Das Pferd war anscheinend daran gewöhnt, von verschiedenen Personen geritten zu werden, denn es ließ sich ohne Schwierigkeiten auf seinen neuen Reiter ein.
Zamorra ritt auf den Schwarzen zu
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