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0679 - Der Schrecken von Botany Bay

0679 - Der Schrecken von Botany Bay

Titel: 0679 - Der Schrecken von Botany Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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der seltsam aussehenden Bäume schien ineinander überzugehen und bot dem Auge keinen Fixpunkt. Nur die bunten Vögel, die hoch in den Ästen in den verschiedensten Tonlagen sangen, unterbrachen die Monotonie dieser fremden Landschaft.
    Zamorra verließ das Blumenfeld und betrachtete einen der frei stehenden Bäume etwas genauer. Die knorrigen Äste ragten in den Himmel und bogen sich dabei in einer Weise, als seien sie an Gelenken befestigt. Die Rinde hing vom Stamm herab, aber da die anderen Bäume dieser Art ebenso aussahen, vermutete Zamorra, dass das normal war und nicht auf eine Krankheit hinwies.
    Außerdem stank der Baum.
    Nein, nicht der Baum, erkannte der Dämonenjäger, als er das Tier entdeckte, das keine zwei Meter über ihm in einer Astgabel saß, es ist dieses Tier. Auf den ersten Blick sah es wie ein kleiner Bär aus. Seine schwarzen Knopfaugen betrachteten den Menschen desinteressiert, bevor sie sich wieder den Blättern zuwandten. Anscheinend war Fressen wichtiger als Neugier.
    »Ich bin wohl nicht mehr in Kansas«, murmelte Zamorra in Anlehnung an den Zauberer von Oz. Er war sich sicher, dass er das seltsame Tier und den ebenso seltsamen Baum wiedererkannt hätte, wenn er sie schon mal gesehen oder sogar nur davon gehört hätte. Dass ihm das nicht gelang, deutete darauf hin, dass Watling recht hatte. Er war in einem Land, das es einmal gegeben hatte, aber in seiner Gegenwart nicht mehr gab.
    Terra incognita, dachte Zamorra beeindruckt, das unbekannte Land.
    Er sah sich um. Die leicht hügelige Landschaft dehnte sich bis zum Horizont aus, ohne dass eine menschliche Siedlung oder Spuren, die auf Menschen hindeuteten, zu sehen waren. Was hatte Watling an diesem Ort getan, bevor er in das Blumenfeld geriet? War er vor jemandem geflohen? Der Dämonenjäger bedauerte, den Sträfling nicht ausgiebiger befragt zu haben, aber daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern.
    Und dann hörte er den Schuss.
    Zamorra duckte sich instinktiv, während um ihn herum die Vögel mit lauten Alarmrufen aus den Bäumen aufstiegen. Nur das bärenähnliche Tier blieb ungerührt im Baum sitzen und fraß Blätter.
    Der Parapsychologe suchte die Landschaft nach dem Schützen ab. Im mehr als kniehohen Gras war er mit seiner hellen Kleidung fast unsichtbar. Nach einem Moment sah er ihn: einen Mann in einer leuchtend roten Uniform, der im gestreckten Galopp über einen Hügel jagte. In einer Hand hielt er eine Muskete, die er am Lauf gepackt hatte und wie eine Keule schwang. Allerdings war sein Ziel kein Tier, sondern ein dunkelhäutiger Mann, der Haken schlagend durch das Gras rannte. Dabei hielt er ein lebendes Huhn fest, dessen verängstigtes Gegacker über den Lärm der anderen Vögel zu hören war. Beide, Jäger und Gejagte, kamen genau auf Zamorra zu.
    Der fluchte leise, als er seinen Fehler bemerkte. In der Weite dieser Landschaft war es fast unmöglich, Entfernungen richtig einzuschätzen, weil die gewohnten Vergleichsmöglichkeiten fehlten. Und so war Zamorra davon ausgegangen, dass die beiden Menschen recht weit von ihm entfernt waren - was sich als Irtum erwies, wie er erkannte, als sie rasend schnell größer wurden.
    Der Schwarze hatte auf Dauer in dem offenen Gelände keine Chance gegen das wesentlich schnellere Pferd. Zamorra konnte die Verzweiflung in seinem Gesicht sehen. Hinter dem Schwarzen hob der Soldat die Muskete hoch über seinen Kopf.
    Ich werde nicht eingreifen, nur beobachten, fielen Zamorra seine eigenen Worte ein. Alles, was er in dieser Zeit unternahm, konnte den Zeitstrom verändern und zu noch größeren Komplikationen führen. Doch direkt vor seinen Augen wurde ein Mensch zu Tode gehetzt; sollte er dabei einfach zusehen?
    Der Aborigine rannte an dem Dämonenjäger vorbei, der seinen rasselnden Atem hören konnte. Der Soldat richtete sich in seinen Steigbügeln auf, ließ die Zügel los und umschloss auch mit der zweiten Hand den Lauf der Muskete. Anscheinend wollte er seine ganze Körperkraft in diesen einen Schlag legen.
    Der Zeitstrom gegen ein Menschenleben, dachte Zamorra, während das Pferd mit geblähten Nüstern und weit aufgerissenen Augen auf ihn zupreschte, was zählte mehr?
    »Ach, scheiß drauf«, murmelte er.
    Mit einem Schrei sprang er auf und warf sich vor das Pferd!
    ***
    Fünf Strafgefangene stemmten sich gegen den Baumstamm, während vier andere an ihm zogen. Der breite Stamm füllte den steilen Feldweg fast völlig aus. Zentimeterweise rutschte er in Richtung der

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