0679 - Der Schrecken von Botany Bay
bitte nicht an einem Ort sein, der schlimmer ist als der, aus dem ich komme. Sollte ich aber noch leben, dann verspreche ich dir, dass ich nie wieder gegen das Gesetz verstoßen werde… auch wenn es schwer fällt… Ach ja, und das gleiche Versprechen gebe ich auch der Heiligen Mutter Maria und Jesus und dem Heiligen Geist und all den Heiligen, die gerade zuhören…«
Er tastete sich durch das Labyrinth der dunklen Korridore und betete. Hier herrschte tiefste Finsternis, und er kam nur mühsam voran. Er griff in Spinnweben und lauschte, ob er irgendwo das Pfeifen und Rascheln hungriger Ratten hören konnte, aber alles, was er hörte, waren seine eigenen Atemzüge und das Klopfen seines Herzens. Immer wieder stieß er auf Gänge, die im Nichts endeten und ihn zwangen, umzukehren, oder in kleine Räume ohne Fenster, in denen der von ihm aufgewirbelte Staub ihm den Atem nehmen wollte und ihn husten ließ. Nach einer Weile wurde der Durst fast unerträglich. Die Gänge, die vor ihm abzweigten, schienen ihm mit ihrem Versprechen auf einen baldigen Ausgang verhöhnen zu wollen.
Watling schluckte trocken. »Gott«, sagte er heiser, »egal, ob ich lebe oder nicht, ich will einfach hier raus. Vergiss alle vorangegangenen Versprechen. Wenn ich jemals wieder Tageslicht sehe, schwöre ich, nie wieder ein Verbrechen zu begehen.«
Er stolperte und konnte nur unter Schwierigkeiten sein Gleichgewicht zurückgewinnen. »Gottverdammt!«, fluchte er und ging in die Knie, um nach dem Hindernis zu tasten.
Eine Stufe, die nach oben führt, erkannte er plötzlich. Er setzte den Fuß darauf und stieg langsam und mit ausgestreckten Händen nach oben. Nach wenigen Metern ertasteten seine Finger eine raue hölzerne Oberfläche.
Und eine eiserne Klinke.
Mit einem letzten Stoßgebet drückte Watling die Klinke herunter. Als die Tür aufschwang, hätte er vor Freude beinahe aufgeschrien und konnte den Drang nur mühsam unterdrücken. Lautlos trat er in das blendend helle Tageslicht und schloss die Tür.
Vor Watling lag ein weiterer Gang, dessen Größe und Ausstattung den Engländer zu der Vermutung veranlassten, in einem Schloss zu sein. Türen zweigten rechts und links von ihm ab, aber er wagte es nicht, eine von ihnen zu öffnen. Wer konnte schon sagen, was sich dahinter befand?
Er schlich vorsichtig weiter und sah schließlich eine große, sonnendurchflutete Halle vor sich. Dort musste entweder eine Tür oder ein großes Fenster nach draußen führen. Watling entschied sich, das Schloss, in dem er als Eindringling auffallen musste, erst einmal zu verlassen und sich draußen zu orientieren. Vielleicht fand er ja dort eine Antwort auf die vielen Fragen, die ihn beschäftigten.
Am Rand der Halle blieb er stehen. Eine breite Treppe führte rechts in die oberen Stockwerke, während sich geradeaus eine doppelñügelige Tür befand, durch die er einen großen Innenhof sehen konnte.
Eine Tür, die nahezu vollständig aus Glas bestand! Unglaublich!
Mit einem kurzen Rundblick vergewisserte er sich, allein zu sein und ging dann auf die Tür zu.
Im gleichen Moment, gerade als er sich mitten in der Halle befand, öffnete sich eine Tür auf der anderen Seite. Ein Mann trat heraus und ging zielstrebig auf die Treppe zu - und auf Thomas Watling, der sich mit einem Sprung hinter einer der dekorativ aufgestellten Ritterrüstungen in Deckung brachte.
Allerdings, das erkannte er, als der unbekannte Schlossbewohner näher auf die Treppe zuging, schützte ihn diese Deckung nur unzureichend vor einem zufälligen Blick des Mannes.
Ein zu großes Risiko…
Watling spannte sich an. Er war nie ein überzeugter Kämpfer gewesen und hatte die üblichen Dorfschlägereien lieber aus der Ferne beobachtet. Aber in diesem Moment und nach all den Schrecken, die er hinter sich hatte, tat es fast gut, sich so plötzlich Luft verschaffen zu können.
Mit einem Schrei stieß er die Ritterrüstung dem Unbekannten entgegen und griff an!
***
Zamorra warf sich zurück. Neben ihm schlug die Ritterrüstung mit lautem Scheppern auf dem Steinboden auf und fiel auseinander. Helm, Schulterstücke und Handschuhe rutschten über die Steine. Der Parapsychologe hätte sich gern einen Moment von dem plötzlichen Lärm erholt, aber die zerlumpte, blutige Gestalt, die mit wild rudernden Armen und einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht auf ihn zurannte, nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Er kam geduckt vom Boden hoch, packte den Angreifer am Arm und katapultierte ihn
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