0680 - Der verratene Traum
Vorgesetzten verfüttert hatte. Die Geschichte glaubte ihm vor Gericht ohnehin niemand.
Buchanan warf die Stalltür hinter sich zu und lief mit dem halb hüpfenden Gang, den sich Sträflinge in Ketten angewöhnten, hinter Murphy her. Er sah, dass der Seemann auf seine Baracke zu rannte.
Oh nein, dachte er. Wenn Murphy das den anderen erzählt, gibt es eine Panik. Wer weiß, was dann passiert.
Er öffnete den Mund, bemerkte aber im gleichen Moment einige Soldaten, die aus der Kaserne traten und sich zum Dienstantritt bereit machten. Trotz der klirrenden Ketten hatten sie den Sträfling noch nicht bemerkt. Buchanan duckte sich rasch hinter dem Fuß des Galgens, während es Murphy mit mehr Glück als Verstand gelang, die Baracke zu erreichen.
Es war keinem Sträfling erlaubt, sich vor dem morgendlichen Appell aus den Unterkünften zu entfernen. Wenn die Soldaten ihn sahen, bedeutete das seine Festnahme - und daraus resultierend mit Macarthurs Hilfe die Todesstrafe. Der Schmied schluckte, als er auf die Falltür des Galgens blickte. Er hatte kein Interesse, eines Tages dort oben zu stehen.
Die Soldaten hielten zwischen den Hütten an. Zwei von ihnen zündeten sich Pfeifen an. Sie redeten ein wenig miteinander. Das Lachen eines der Männer drang bis zum Versteck des Schmiedes über den Platz.
Verschwindet schon , dachte Buchanan ungeduldig. Sein Blick glitt immer wieder zur Baracke. Inzwischen musste Murphy seine Geschichte fast schon beendet haben. Buchanan war niemand, der auf andere hinabsah, aber er wusste, dass die meisten seiner Mitgefangenen ein eher einfaches Gemüt hatten. Außer ihm selbst und Watling war wohl kaum einer in der Lage, die Situation realistisch einzuschätzen. Zwar befand sich der Fälscher in der Baracke, aber es war fraglich, ob er die Initiative ergreifen würde. Dafür war er zu sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht.
Endlich verschwanden die Soldaten hinter dem Gouverneursgebäude. Buchanan sprang auf und lief hüpfend bis zur Baracke. Mit pochendem Herzen öffnete er die Tür.
Stille begrüßte ihn.
Die Männer und die wenigen Frauen, die ihren Weg in die eigenen Unterkünfte noch nicht gefunden hatten, saßen stumm auf ihren Lagern.
Im Gang saß Murphy und trank zitternd aus einer Rumflasche.
Eddie Cooper sah den Schmied mit leuchtenden Augen an. »Es ist entschieden«, sagte er deutlich. Sein starker Londoner Dialekt war fast verschwunden und er klang selbst beinahe wie ein Offizier. »Wir werden kämpfen. Wir schicken die verdammte Mörderbrut zur Hölle!«
***
Zamorra betrat die Pfade der Traumzeit und glaubte in ein Meer aus Bildern, Gesängen, Lauten und Farben zu stürzen.
Menschen glitten an ihm vorbei, nackt und bemalt wie die Eora. Durch sie hindurch glitten weiße Anzugträger mit Aktentaschen und Handys. Riesige Baumaschinen schoben die rote Erde zusammen, Öl sprudelte aus freigelegten Quellen. Bäume wurden gefällt und entstanden neu. Vor Zamorras Augen zerfiel ein Anzugträger zu Staub und formte sich zu einem dunklen Flughund, der schnatternd zwischen Wolken verschwand, deren Regen auf das Land fiel und grüne Schlingpflanzen hervorbrachte. Große Gebäude entstanden und zerfielen in Sekunden. Alles war in ständiger Bewegung.
Haltlos trieb Zamorra durch das Chaos. Er versuchte nicht, die Szenen zu verstehen, die sich ihm präsentierten. Er betrachtete sie einfach nur und wartete, dass das Verständnis zu ihm kam.
Irgendwann bemerkte er, dass all diese Bilder Teil einer größeren Struktur waren. Sie wuchsen daraus hervor wie Saatgut aus dem Boden und fielen nach ihrem Ableben auch wieder darauf zurück, nur um in anderer Gestalt erneut geboren zu werden.
Der Parapsychologe ließ sich durch die Strukturen treiben, bis er erkannte, was das Fundament war, das allem zugrunde lag, ob es Menschen, Tiere, Pflanzen, Gottheiten oder Mythen waren.
Es war das Land, das immer währende, unbeherrschbare Land. Auf ihm baute die reale Welt und auch die Traumzeit auf. Es war gleichzeitig Fundament und Zentrum von allem, das sich auf ihm abspielte.
Mit dieser Erkenntnis betrachtete er die Szenen erneut - und verstand. Das Wissen um das Land war wie ein Schlüssel, der das Tor zur Traumzeit öffnete. Das Chaos, das er um sich herum erlebt hatte, verschwand. Plötzlich konnte Zamorra den Pfaden folgen und sah, wie alles miteinander in Verbindung stand. Unwillkürlich suchte er seinen eigenen Pfad, aber der verschloss sich vor ihm. Neugierig geworden versuchte er anderen zu
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