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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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darüber gemacht, wie man das Lager übernehmen könnte. Und ich habe mit ein paar Leuten geredet, die…«
    »Doch nicht etwa mit den Iren?«, mischte sich Watling ein.
    Der Londoner begegnete seinem abwertenden Blick störrisch. »Genau, mit den Iren. Die hatten ein paar verdammt gute Ideen.«
    »Die dürften sie auch direkt den Wachen verraten haben«, entgegnete Buchanan. »Die Hälfte von denen sind Spitzel und die andere Hälfte besteht aus Verrückten. Gib die Idee auf, Eddie, sonst stehst du unterm Galgen, bevor du den ersten Befehl gegeben hast.«
    »Lass Cooper in Ruhe, Buchanan. Er hat recht. Wir müssen die Schweine endlich fertig machen.«
    Der Mann, der die Worte gesprochen hatte, schlurfte durch den schmalen Gang nach vorn. Der Schmied seufzte innerlich. Es war Fred »Mad Dog« Baxter, die lebende Legende von Botany Bay. Baxter war einer der wenigen lebenslänglich Verbannten und war 1788 mit der ersten Flotte nach Australien gekommen. Damals war er vierzehn Jahre alt gewesen. In den mittlerweile sechs Jahren seiner Gefangenschaft hatte er es geschafft, über zweitausend Peitschenschläge zu überleben. Sein Rücken sah aus wie der eines Krokodils. Außerdem war er der einzige Gefangene der kleinen Kolonie, der dreifache Eisen tragen musste, was ihn immerhin mit mehr als zwanzig Pfund pro Bein belastete.
    Aber auch das konnte seine Kampfeslust nicht bremsen. Mad Dog Baxter legte sich mit jedem und allem an. Er tötete Riesenkängurus mit bloßen Händen, biss - nach eigenen Angaben, denn gesehen hatte ihn dabei noch niemand - Delphinen die Kehle durch und beförderte andere Gefangene nur wegen eines falschen Blickes ins Lazarett - oder ins Grab. Er war die wandelnde Aggression, eine Kampfmaschine ohne Verstand oder Verständnis.
    Und deshalb wurde er bewundert. Es gab wohl keinen Gefangenen, der sich nicht schon einmal gewünscht hatte, nur für fünf Minuten den Mut eines Mad Dog Baxter zu haben. Dass ausgerechnet dieser Mann jetzt Eddie Cooper unterstützte, machte die Angelegenheit nicht einfacher.
    »Also gut«, änderte Buchanan seine Taktik. »Stellen wir uns vor, euer Plan gelingt. Ihr tötet die Soldaten, bringt die Kolonie unter eure Kontrolle. Was ist mit den anderen beiden Siedlungen?«
    Cooper hob die Schultern. »Die schnappen wir uns auch, zuerst Parramatta und dann Sydney Cove.«
    »Und dann?«, fragte Buchanan weiter. »In drei Monaten soll das nächste Versorgungsschiff hier eintreffen. Glaubt ihr, die legen an, wenn sie euch sehen? Von was wollt ihr dann leben, wenn ihr keine Vorräte bekommt?«
    Cooper und Baxter sahen sich an. Plötzlich grinsten beide breit.
    »In drei Monaten sind wir doch alle längst in China«, antwortete Mad Dog.
    Die meisten anderen Gefangenen lachten zustimmend. Nur ein paar lächelten eher gequält. Cooper und Baxter hatten wohl nicht alle überzeugen können.
    Neben Buchanan schüttelte Watling den Kopf. »Ihr seid verrückt, wenn ihr wirklich diesen Mist mit der Landbrücke nach China glaubt.«
    »Wir werden sehen, wer hier verrückt ist«, unkte Cooper. »Zuerst müssen wir aber dafür sorgen, dass du, Buchanan und Murphy aus dem Lager verschwindet. Wenn wir zuschlagen, werden die Soldaten zuerst die Sträflinge in den Arrestzellen töten. Also lasst euch nicht erwischen.«
    Im gleichen Moment wurde draußen auf dem Platz die Alarmglocke geläutet.
    »Verdammt«, fluchte Buchanan. »Ich hätte fester zuschlagen sollen.«
    Murphy stand auf und steckte die Rumflasche in sein Hemd. »Nichts wie weg hier.«
    Buchanan öffnete vorsichtig die Tür der Baracke und sah, wie die Einheiten unter dem Union Jack Aufstellung nahmen. Er hatte oft genug beobachtet, wie sie vorgingen und wusste daher, dass sie sich beeilen mussten. In wenigen Minuten würden die Soldaten ausschwärmen.
    Der Schmied schlich sich aus der Unterkunft und lief geduckt zwischen den Hütten hindurch. Die Stoffreste, die er um die Ketten gewickelt hatte, verhinderten, dass sie klirrten.
    Murphy folgte unmittelbar hinter ihm.
    Nur Watling blieb einen Augenblick zurück. Als Cooper die Barackentür schließen wollte, ergriff er seinen Arm und fragte: »Wann schlagt ihr zu?«
    Der Londoner sah ihn misstrauisch an. »Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen soll.«
    Watling seufzte. »Ich verschwinde jetzt in den Busch. Selbst wenn ich wollte, könnte ich niemandem was davon sagen. Also?«
    »Na gut«, lenkte Cooper ein. »Heute Mittag geht’s los.«
    Dann schloss er rasch die Tür. Watling folgte

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