0680 - Der verratene Traum
kleines Dilemma befindet sich im Inneren, Corporal. Es ist sozusagen delikater Natur.«
Er runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass die Tür nicht verriegelt war. Dabei hätte er geschworen, dass er das Vorhängeschloss angebracht hatte.
»Ach, eine Frau, Sir«, entgegnete Harris ein wenig verspätet. »Da haben Sie den Richtigen gefunden. Da kenne ich mich aus.«
Macarthur zog die Tür auf und tastete nach der kleinen Pistole in seinem Gürtel.
Wie erwartet trat der Corporal vor ihm in den Stall.
»Na, was macht die Lady denn für Probleme?«
Macarthur holte aus und schlug zu.
Mit einem Schrei ging der Soldat zu Boden. Er presste die Hände gegen seinen Kopf und stöhnte leise. Macarthur fluchte. Der Schlag hatte den Mann zwar betäubt, ihm jedoch nicht das Bewusstsein geraubt.
Rasch zog er die Tür zu.
»Grose«, sagte er. »Hier ist Ihr Opfer, Sir.«
In das Stöhnen des Soldaten mischte sich ein Knurren aus einer der Boxen. Macarthur packte den Corporal am Kragen und zerrte ihn über den Boden.
Der halbmenschliche Grose lag zusammengekauert in einer Ecke. Wenn Macarthur nicht sein Knurren gehört hätte, wäre er kaum zu finden gewesen.
Er ließ den hilflosen Soldaten vor dem Werwolf fallen.
»Na los. Worauf warten Sie noch, Sir?«
Der Major hob langsam den Kopf. Er schien etwas sagen zu wollen, aber sein deformiertes Maul öffnete und schloss sich nur lautlos.
Macarthur lief es kalt den Rücken herunter. Grose konnte sein Opfer nicht reißen, weil seine beiden Kiefer nicht aufeinander passten.
Oh Gott, dachte er, was soll ich jetzt tun?
Er wusste, dass es nur noch eine Möglichkeit gab. Zurück konnte er nicht mehr, also musste er die Sache durchziehen. Als der halb bewusstlose Harris plötzlich zu schreien begann, senkte sich, ein blutroter Nebel über Macarthurs Geist. Er riss die Pistole hoch und schlug so lange auf den Soldaten ein, bis er sicher war, dass der nicht mehr lebte. Dann zog er seinen Dolch hervor und begann seine grausige Arbeit.
Fast eine Stunde lang war er damit beschäftigt. Schließlich stand er schweiß- und blutbedeckt auf. Er lehnte sich gegen die Wand der Box und sah zu, wie Grose zaghaft nach einem Stück Fleisch griff.
Macarthur spürte, wie seine Knie weich wurden. Er drehte sich um und übergab sich in die Nebenbox.
Direkt auf zwei Paar nackter Füße…
***
»Setz dich«, sagte das Känguru und ließ sich auf seine Hinterläufe nieder. Zamorra folgte der Aufforderung. Er setzte sich auf einen grauen Stein.
»Bist du das schwarze Känguru, das die Lichtung bewacht?«, fragte er dann. Er erinnerte sich daran, dass Gulajahli in seinen Geschichten von so einem Wesen gesprochen hatte.
Sein Gegenüber wackelte mit den Ohren. »Die Eora nennen mich so. Für andere bin ich das Känguru der Hügel oder der Wasserfälle. Manchen Stämmen verheiße ich Glück bei der Jagd, wieder anderen eine sichere Rast. Ich habe viele Namen, aber hier in der Traumzeit nennt man mich Pata. Ich…«
»Zumindest nennt man sie so, wenn sie einem die Gelegenheit dazu gibt«, unterbrach sie eine dunkle Stimme, »denn ihr Atem ist lang wie der Wind und ihre Worte fallen zahlreich wie die Regentropfen im Norden.«
Zamorra fuhr überrascht herum. Hinter ihm trat eine menschengroße Eidechse aufrechtgehend aus dem Wald. Auch diese Gestalt erkannte der Parapsychologe aus den Geschichten des Schamanen. Es war Willanjee, der Eidechsenmann, den die Eora als ihren Beschützer verehrten.
Willanjee nickte Zamorra kurz zu. »Es ist gut, dass du hier bist. Ich hoffe, deine Reise war angenehm.«
»Geht so«, entgegnete er trocken. »Aufs Sterben hätte ich verzichten können.«
Pata lachte, was ein wenig wie das Meckern einer Ziege klang. Die starren Gesichtszüge des Eidechsenmanns ließen keine solche Regung zu, aber auch er schien amüsiert zu sein.
Hauptsache, ihr habt Spaß, dachte Zamorra, dem plötzlich das Surreale seiner Situation bewusst wurde. Er war tot, saß in einem knallbunten Wald und unterhielt sich mit zwei Fabelwesen.
Drei Fabelwesen, korrigierte er sich, als eine Stimme von oben »oh, ich habe mich wohl verspätet« sagte.
Zamorra sah auf und blickte in die tellergroßen Augen einer Riesenschlange. Allein ihr Kopf war mehrere Meter lang und ihr bunt schillernder Schuppenkörper verlor sich irgendwo am Horizont.
»Erlaube mir, dass ich mich vorstelle, Zamorra. Ich bin Bolong, die Regenbogenschlange.«
Die beiden anderen Wesen verneigten sich vor ihr. Anscheinend war Bolong
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