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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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blätterte darin. Nach einem Moment hatte er das richtige Kapitel gefunden. Seine Augen überflogen die Zeilen und landeten schließlich bei der Fußnote: »Kurioses ereignete sich im Dezember 1794 in Botany Bay. Ein Gefangenenaufstand, der vermutlich durch eine Reihe ungeklärter Morde ausgelöst wurde, endete friedlich, als die Kolonie überraschend von einem in der Nähe lebenden Aborigine-Stamm angegriffen wurde. Gefangene und Wärter schlossen sich zusammen, um der Bedrohung zu begegnen. Auf englischer Seite fielen merkwürdigerweise nur die beiden ranghöchsten Offiziere, Major Francis Grose und Captain John Macarthur. Auf Seiten der Aborigines ging der Kampf tragischer aus, denn keiner der Krieger überlebte.«
    Zamorra ließ das Buch sinken und setzte sich auf die Schreibtischkante.
    »Alles für das Land«, murmelte er bitter.
    ***
    Australien, Gegenwart
    An manchen Tagen hasste er seinen Beruf.
    »Hast du dich in der letzten Woche bemüht, Arbeit zu finden?«, fragte Daniel Wantapari.
    Sein Gegenüber, ein älterer Aborigine mit Whiskyfahne, nickte einfach nur. Daniel konnte sehen, dass er sich selbst längst aufgegeben hatte. Ein hoffnungsloser Fall.
    »Na gut«, sagte er. »Dann sehen wir uns nächste Woche.«
    Er folgte dem älteren Mann nach draußen und blieb einen Moment in der brütenden Hitze stehen. Das Reservat, wenn man die Ansammlung schäbiger Hütten überhaupt so nennen konnte, zeigte sich wieder von seiner charmantesten Seite. Leere Bierdosen, zerschmetterte Ginflaschen, aufgebockte, längst verrostete Wagen und desillusionierte, von der Welt vergessene Menschen, die stumm im Schatten ihrer Hütten saßen.
    Und mitten zwischen ihnen Daniel Wantapari, von der Regierung bestellter Sozialarbeiter. Daniel verließ den engen Kreis der Hütten und spazierte bis zu einer merkwürdigen Felsformation, die voller alter Malereien war.
    Er hatte sich nie mit den Wurzeln seiner Kultur beschäftigt und wusste daher nur wenig über diese Darstellungen. Die alten Leute konnte er auch nicht fragen, denn die wagten sich nicht bis an die Felsen heran. Angeblich lebte dort der böse Geist eines Schamanen, der irgendwann einmal etwas Furchtbares getan hatte. Daniel blickte bei der Geschichte nicht so genau durch.
    »Hey, Daniel!«, unterbrach ihn eine jugendliche Stimme. »Alles klar, Mann?«
    Der Sozialarbeiter sah nach oben und entdeckte einen jungen Aborigine namens Brent, der oben auf den Felsen saß.
    »Ja, alles klar. Und bei dir?«
    Der Jugendliche hob grinsend einen weißen Briefumschlag hoch. »Du wirst das jetzt nicht glauben, aber ich habe das Stipendium bekommen. Ich geh nach Sydney, Mann, ist das zu fassen?«
    Er lachte laut. Daniel lächelte zurück.
    An manchen Tagen hasste er seinen Beruf. An anderen Tagen jedoch konnte er sich nicht vorstellen, je nach einem neuen Job zu suchen. Heute war ein solcher Tag. Daniels Anwesenheit in diesem Reservat hatte dafür gesorgt, dass Brent aufhörte, Autos zu stehlen und sich um seine Weiterbildung kümmerte. Er hatte etwas verändert. Und Veränderung, dass wusste Daniel Wantapari instinktiv, war die Grundlage jeden Lebens.
    ENDE des Zweiteilers
    [1] Siehe Professor Zamorra Nr. 679 »Der Schrecken von Botany Bay«

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