0680 - Der verratene Traum
folgen, die mit seinem verbunden waren. Dabei wurde er immer sicherer, sprang mit Leichtigkeit von einem Ereignis zum anderen, als hätte er sich ein Leben lang mit nichts anderem beschäftigt.
Bis er auf einer Ebene stand.
Es war völlig still. Nichts bewegte sich. Tiere und Pflanzen waren wie eingefroren. Die Farben wirkten blass. Zamorra sah sich um und entdeckte einige Menschen, die starr am Boden saßen. Er ging auf sie zu und um sie herum. Einer der Menschen war Wantapari, der Krieger aus dem Eora-Lager. Die anderen kannte er nicht. Er hockte sich neben den Krieger und griff nach der Kokosnuss, die der in der Hand hielt. Sie zerfiel unter seinen Fingern zu Staub.
»Wie kommst du hierher?«, rief plötzlich eine heisere Stimme.
Zamorra fuhr herum.
Zwischen den Bäumen trat eine Gestalt hervor, deren ganzer Körper wie mumifiziert wirkte. Arme und Beine waren nur dünne Röhren, der Torso eine Ansammlung von Knochen, an denen die Haut faltig herabhing und in dem eingefallenen Gesicht leuchteten die Augen voller fanatischer Intelligenz.
»Wie kommst du hierher?«, wiederholte Gulajahli.
Zamorra riss die Augen auf.
Vor ihm fuhr das Känguru erschrocken zurück.
»Was hast du gesehen?«, fragte der Echsenmann neugierig.
Zamorra antwortete nicht. Er sah hinauf in den blauen klaren Himmel. Er wusste jetzt, was er tun musste.
Die Erkenntnis schockierte ihn mehr als sein eigener Tod.
***
Gegenwart
Nicole checkte die Energieanzeige des Blasters und sprang auf. Die Strahlen der auf Dauerfeuer geschalteten Waffe fuhren fauchend aus der Mündung und verästelten sich unmittelbar über der Mauer, hinter der ihre Gegner warteten. Einer von ihnen wagte einen Blick aus seiner Deckung. Ein Betäubungsstrahl warf ihn zu Boden.
Einer weniger, dachte Nicole zufrieden, während sie im Zickzack auf den Dhyarra zulief. Die anderen beiden Soldaten taten ihr allerdings nicht den Gefallen, sich selbst in die Schusslinie zu bringen. Statt dessen hoben sie einfach ihre Waffen über die Mauer und feuerten blind in die Luft.
Mit einem beherzten Sprung brachte sich die Französin hinter einigen Balken in Sicherheit. Der Dhyarra lag keine zwei Meter entfernt.
Sie sah sich nach Watling um. Der Engländer bemerkte ihren Blick. Er zeigte zuerst fragend auf den Sternenstein, dann auf sich selbst und die Regenbogenblumen.
Du schnappst dir den Kristall, dann verschwinden wir durch die Blumen, las Nicole aus diesen Gesten. Sie nickte, und Watling zeigte an, dass er verstanden hatte.
Hinter der Mauer war es still geworden. Die beiden übrig gebliebenen Vermummten wussten wohl nicht so recht, was sie jetzt machen sollten.
Nicole fragte sich, wo der Mann geblieben war, der zu den Wagen gelaufen war. Sie hatte ihn nicht zurückkommen sehen.
Im gleichen Moment prallte ein Stein gegen die Mauer. Die Dämonenjägerin fuhr herum und sah, wie Watling einen weiteren Stein aufhob und in Richtung der Vermummten warf.
»Kommt schon, ihr Bastarde!«, schrie er. »Versucht doch mich zu treffen!«
Ist der denn völlig wahnsinnig geworden?, dachte Nicole alarmiert. Watling war ihr nicht wie jemand erschienen, der zu plötzlichen heroischen Ausbrüchen neigt, aber genau das demonstrierte er jetzt. Sie wusste, dass er die Vermummten von ihr ablenken wollte, glaubte aber nicht, dass die so unerfahren waren und darauf hereinfielen. Taten sie auch nicht, denn es blieb weiterhin still hinter der Mauer, während Watling wild fluchend Steine warf.
Nicole spannte sich an. Ein paar Meter bis zum Dhyarra, ein paar Meter bis zu den Blumen und nur zwei Gewehre, die auf sie gerichtet waren. Das sollte doch zu schaffen sein. Die Französin wollte sich gerade nach vorne werfen, als ein neues Geräusch sie aufhorchen ließ. Es war ein tiefes Brummen, das rasch lauter wurde.
Ein Flugzeug?, fragte sie sich überrascht. Sie sah nach oben in den bleigrauen Himmel.
Hinter ihr verstummte Watling. Auch er hatte das Geräusch gehört, konnte es aber natürlich nicht zuordnen.
Im nächsten Moment sah Nicole, dass es sich tatsächlich um eine zweimotorige Propellermaschine handelte, die im Tiefflug auf die Ruine zuraste. Am Rumpf des Flugzeugs konnte Nicole eine Aufschrift erkennen: »United Kingdom Penal Colony«. Unter den Tragflächen befanden sich Zwillingskanonen, deren Mündungen sich nach unten ausrichteten.
Oh Scheiße, dachte Nicole, die Wärter.
Dann geschah alles gleichzeitig.
Die Vermummten sprangen auf und rannten zu den Wagen. Sie schleppten zwei
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