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0683 - Monster aus dem Schlaf

0683 - Monster aus dem Schlaf

Titel: 0683 - Monster aus dem Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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blieb stehen, bis die drei Gangmitglieder hinter einer Kurve verschwunden waren. Ab jetzt, das wusste Chris, durfte er sich keinen Fehler mehr erlauben…
    ***
    London, 17. Oktober 1888
    Der Lärm war ohrenbetäubend. Weit über einhundert Menschen, so schätzte Sir Henry, standen, saßen oder hockten dichtgedrängt in dem Pub in der Dorset Street. Zwei Männer spielten mit einem Akkordeon und einer Gitarre Seemannslieder und grölten die schlüpfrigen Texte in den überfüllten Raum. Einige Gäste sangen mit, während andere sich über die Musik anschrien.
    Der Rauch billiger Zigarren und Zigaretten hing wie dichter Nebel zwischen ihnen. Ein Feuer brannte im Kamin und tat ein übriges, um die zum Schneiden dicke Luft zu verpesten.
    Henry blieb einen Moment neben der Tür stehen und sah sich in dem Chaos um. Seit mehr als einem Monat zog er durch die Gaststätten und Bordelle des East Ends. Anfangs war es ihm noch schwer gefallen, Prostituierte von anderen Frauen zu unterscheiden, was zu einigen brenzligen Situationen geführt hatte.
    In der Zwischenzeit hatte er jedoch einen Blick dafür bekommen, und so sondierte er den Raum in aller Ruhe. Wie erwartet dauerte es keine dreißig Sekunden, bis die erste Professionelle auf die hagere Gestalt in der dunklen Kleidung aufmerksam wurde.
    Sie stieß ihren bisherigen Freier von sich, glättete das billige Kleid und kam mit angetrunkenen taumelnden Schritten auf Henry zu.
    »Ein Gentleman in dieser Behausung«, nuschelte sie so leise, dass er sie über die Musik kaum verstand. »Suchst du Gesellschaft?«
    Der Adelige musterte sie abschätzend. Sie war ungefähr dreißig Jahre alt, blond und dick.
    Nein, dachte er, du bist nicht sein Typ.
    Die vier Opfer hatten sich alle ähnlich gesehen. Jede der Frauen war dunkelhaarig, hatte ein schmales Gesicht und war schlank. Henry ging davon aus, dass auch das nächste Opfer diese Ähnlichkeit teilen würde.
    »Verschwinde«, sagte er deutlich.
    Die Prostituierte öffnete den Mund, um gegen seinen Tonfall zu protestieren, sah dann aber die Verachtung in seinen Augen und wandte sich wortlos wieder dem Freier zu, den sie gerade erst verstoßen hatte. Der schien ihr die Behandlung nicht übel zu nehmen, denn sie verschwanden gemeinsam in der Menge.
    Henry wagte sich tiefer in den Pub. Der Rauch brannte in seinen Augen, und seine Ledersohlen schlitterten über den Holzboden, der von braunen Pfützen bedeckt war - den Überbleibseln von Unmengen Kautabak.
    Und dann sah er sie.
    Sie stand an der Theke und handelte anscheinend ihren Preis mit einem älteren Matrosen aus. Der Mann hielt einige Geldstücke in der Hand. Sie schienen sich fast einig zu sein.
    Henry drängte sich so schnell er konnte durch die Menge, bis er die Theke erreicht hatte. Er schob den Matrosen zur Seite.
    »Ich zahle das Doppelte«, sagte er zu der Prostituierten, die ihn überrascht ansah.
    Bevor sie antworten konnte, griff der Matrose nach Henrys Schulter.
    »Hey«, brüllte er wütend, »das ist meine…«
    Ohne sich umzudrehen, hieb Henry ihm den Ellenbogen in den Magen. Ein dumpfes Poltern verriet ihm, dass der Mann unter seinem Schlag zu Boden gegangen war. Einige Gäste lachten.
    Die Prostituierte hob gleichgültig die Schultern. »Du hast mich überzeugt. Komm mit.«
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern tauchte in die Menge ein. Henry folgte ihr, bis sie aus der Tür des Pubs in die herbstliche Kälte traten.
    Im weichen Licht der Straßenlampe wirkte sie noch hübscher als in der Kneipe. Ihr langes dunkles Haar fiel in sanften Locken bis über die Schultern. Ihr schmales Gesicht war ebenmäßig und nicht vom Alkohol gezeichnet, und in ihren Augen entdeckte Henry nur wenig von der Härte, die er bei den älteren Prostituierten gesehen hatte. Er schätzte sie auf höchstens fünfundzwanzig.
    Sie bemerkte, dass er sie musterte und lächelte dünn. »Bereust du schon, so viel Geld auszugeben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, du bist perfekt.«
    Sie schien solche Komplimente gewöhnt zu sein, denn sie reagierte nicht auf seine Worte, sondern musterte ihn ebenso, wie er es getan hatte.
    »Du bist nicht hässlich, ich sehe nichts, was dich entstellt«, sagte sie schließlich. Ihre Sprache klang gebildet, fast schon kultiviert. »Wieso also musst du hier nach einer Frau suchen? Begehrst du vielleicht etwas, das eine anständige Frau dir nicht geben kann?«
    Henry fühlte sich ertappt.
    »In der Tat«, gestand er. »So könnte man das ausdrücken.«
    Er

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