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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Coyoten, die nachts aus den Bergen kamen, um die Hühner zu rauben.
    Alle Geschichten hatten zwei Dinge gemeinsam. Sie wurden ohne Pointe erzählt und waren beinahe unerträglich langweilig. Nur das Wackeln der Kutsche und das gelegentliche Schnaufen der Pferde hielt Zamorra davon ab, einzuschlafen. Auch so ertappte er sich immer wieder dabei, dass ihm die Augen zufielen, eine Tatsache, die er wohl weniger Howards Geschichten als seinem eigenen angeschlagenen Zustand zu verdanken hatte.
    Als Howard kurz Luft holte, nutzte der Parapsychologe die günstige Gelegenheit und fiel ihm ins Wort.
    »Ihr habt hier wohl nicht viel Abwechslung«, sagte er.
    Der Sheriff hob die Schultern. »Es geht. Es ist ein ruhiges Leben, aber ein gutes. Versteh mich nicht falsch, eigentlich ist es sehr schön hier. Keiner von uns würde woanders leben wollen. Wie letztes Jahr zum Beispiel, als wir ein Windrad für Bills Haus bauen wollten und alle…«
    Zamorra seufzte innerlich und blendete die Stimme aus. Stattdessen ließ er den Blick über das weite, hügelige Land gleiten und versuchte, Antworten auf die Fragen zu finden, die ihn beschäftigten.
    Er war schon häufiger in der Vergangenheit gelandet, aber auf eine solche Situation war er noch nie gestoßen. Es schien, als kenne jeder, mit dem er sprach, ein Geheimnis, das ihm selbst verborgen blieb. Normalerweise war es so, dass der Zeitreisende derjenige war, der sein Wissen vor den Menschen der Vergangenheit verheimlichen musste, aber hier war das Gegenteil der Fall.
    Der Dämonenjäger hatte den Eindruck dass die Leute in Paradise Lost einen gewaltigen Wissensvorsprung hatten, den er einfach nicht verstand. Hätte es den Absturz nicht gegeben, wäre Zamorra davon überzeugt gewesen, dass sich jemand einen Scherz mit ihm erlaubte.
    »So«, sagte Howard schließlich und stoppte das Fuhrwerk, »da wären wir. Hier hat man dich gefunden.«
    Der Parapsychologe sah auf. Er erkannte die Felsformationen sofort wieder. Howard hatte ihn also tatsächlich zur Absturzstelle gebracht und nicht, wie er befürchtet hatte, an irgendeinen anderen Ort.
    Außer den Felsen erinnerte jedoch nichts daran, dass hier vor weniger als vierundzwanzig Stunden ein Flugzeug abgestürzt war. Es gab keine Trümmer, keine Schneisen im Boden und keine Rußflecken an den Steinen. Der Ort wirkte so friedlich, als sei nie etwas passiert.
    Das kann doch nicht wahr sein, dachte Zamorra irritiert.
    Er kletterte vom Kutschbock und hinkte zu der Stelle zwischen den Felsen, wo ihn die Druckwelle zu Boden geworfen hatte.
    Hinter ihm sprang Howard ebenfalls von der Kutsche. Zamorra hob die Hand, als der Sheriff sich zu ihm gesellen wollte.
    »Lass mich ein paar Minuten allein«. bat er. »Wenn ich mich konzentrieren kann, kehrt meine Erinnerung vielleicht wieder zurück.«
    Howard blieb unsicher stehen. Zamorra konnte förmlich sehen, wie er nach einem Gegenargument suchte, aber nicht fündig wurde.
    »In Ordnung«, stimmte der Sheriff schließlich zu. »Ich bleib' bei der Kutsche.«
    Der Parapsychologe ging ein paar Schritte durch das Gras und griff nach dem Amulett. Er drehte Howard den Rücken zu, so dass der Sheriff nicht sehen konnte, was er tat. Mit ein paar geübten Handbewegungen verschob er einige der rätselhaft geformten Hieroglyphen am Rand der Silberscheibe und versetzte sich selbst mit einem posthypnotisch in seinem Unterbewusstsein verankerten Schaltwort in Halbtrance. Die Zeichen glitten von selbst in ihre ursprüngliche Lage zurück, hatten aber bereits die von Zamorra gewünschte Funktion des Amuletts aktiviert.
    Er wollte eine Zeitschau vornehmen, um herauszufinden, was passiert war. Mehr als vierundzwanzig Stunden konnte der Parapsychologe allerdings nicht in die Vergangenheit blicken, ohne seinen eigenen Tod zu riskieren, denn der magische Vorgang erforderte viel Kraft.
    Der stilisierte Drudenfuß in der Mitte der handtellergroßen Silberscheibe wurde zu einer Art Mini-Bildschirm. Rasch tastete sich Zamorra in die Vergangenheit vor. Das Licht der Sonne schwand, als die Zeit innerhalb des Bildschirms rückwärts lief.
    Zamorra wurde fast sofort fündig. Zur Sicherheit wartete er noch einen Moment, dann stoppte er den Rücklauf mit einem Gedankenbefehl und ließ die Bilder in ihrer richtigen Reihenfolge ablaufen.
    Es war Nacht, aber der Platz, an dem er jetzt stand, wurde von zahlreichen Fackeln erhellt. Überall sah er Menschen, die Trümmerstücke auf Kutschen luden, den verbrannten Boden abtrugen und die

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