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0688 - Das Hohe Volk

0688 - Das Hohe Volk

Titel: 0688 - Das Hohe Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Hohe Volk hat sie nicht zerschmettert, als sie die Stufen emporstieg. Auch das könnte ein Omen sein. Wenn der Morgen graut, werden wir uns dem Turm zuwenden und um Vergebung bitten. Ich bin sicher, das Hohe Volk wird uns erhören.«
    Sein Vorschlag warf neue Fragen auf. Die Dorfbewohner begannen durcheinander zu reden. Man war sich nicht einig, welches Gebet das Richtige war.
    Wrishta zog sich unauffällig vom Feuer zurück. Sie glaubte nicht, dass ein Gebet die Sünde, die der Stamm begangen hatte, wiedergutmachen konnte. Die fremde Frau war angegriffen und beinahe getötet worden. Das Hohe Volk hatte reagiert und einen aus dem Stamm getötet. Vielleicht bestraften sie auch die anderen, die bei ihnen lebten, für diesen Frevel.
    Wrishta sah sich immer wieder um, während sie geduckt zu den heiligen Stufen lief. Ein Gebet reichte nicht, um das Hohe Volk zu besänftigen. Jemand musste zum Turm emporsteigen und um Vergebung betteln. Wrishta war sich sicher, dass das eine angemessene Reaktion war, aber sie wusste auch, dass Iyokul es niemals zulassen würde, dass jemand die Treppe betrat, der nicht zum Turm gerufen worden war.
    Die junge Frau kniete sich neben den Ledereimer, den jemand wieder mit Wasser gefüllt hatte, und wusch sich sorgfältig Gesicht und Füße.
    Dann trat sie mit klopfendem Herzen an die Treppe heran, sprach ein kurzes Gebet und setzte den Fuß auf die erste Stufe.
    Der Stein war kalt und ließ sie frösteln, aber sonst passierte nichts. Kein Blitzschlag, kein Donnern - das Hohe Volk schien nichts dagegen zu haben, dass sie zu ihm kam.
    Langsam stieg Wrishta die Stufen empor. Sie hoffte, schon bald dem Volk entgegenzutreten.
    Und Cylas, den sie stärker vermisste, als sie je gedacht hatte.
    Niemand aus dem Stamm bemerkte ihr Verschwinden…
    ***
    Cylas umklammerte den Eisenring mit seinen Händen und keuchte, während die Kette ihn scheinbar sinnlos von einem Gang in den Nächsten riss. Er hatte längst den Überblick verloren, versuchte nur noch, sich irgendwie auf den Beinen zu halten.
    Mit einem Ruck rastete die Kette in der Decke ein. Cylas wurde nach vorne geschleudert und schlug schwer auf dem Boden auf.
    Atemlos blieb er einen Moment liegen, dann sah er auf.
    Er befand sich in einem lang gezogenen, dunklen Raum. Es gab keine Fenster und keine Gegenstände darin, nur eine seltsame weißliche Wand, die sich einen Steinwurf von ihm entfernt befand und wie Nebel aussah.
    »Ich höre, dass du Widerworte gibst, Diener,« sagte eine Stimme aus dieser Wand.
    Cylas stockte der Atem. Es war nicht nur eine Stimme, sondern klang beinahe schon wie ein Chor - ein wunderbarer, hundertfacher Chor, der weder männlich noch weiblich wirkte. Der junge Krieger wollte die Stimme bitten, weiterzureden, fragte dann aber nur zitternd: »Seid Ihr das Hohe Volk?«
    Der Nebel waberte heftiger und Cylas befürchtete, die Stimme verärgert zu haben.
    »Du wirst mich Herr nennen«, sagte sie, »und meine Frage beantworten. Hast du dem Aufseher widersprochen?«
    Cylas schluckte und kam auf die Knie.
    »Das habe ich, Herr«, sagte er ehrlich.
    »Warum?«
    Der junge Krieger zögerte. »Weil… Es war falsch, was er sagte. Er wollte, dass wir die…« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… Maschine putzen, damit sie das tut, was er möchte. Aber das ist nicht der Fehler. Der legt in den Rädern mit den großen Zacken.«
    »Du meinst in den Zahnrädern?«
    »Ja, Herr«, stimmte Cylas erleichtert zu. »Eines von ihnen bewegt sich nicht und kann… so das Nächste nicht bewegen. Alles wird aufgehalten durch dieses Rad.«
    »Woher weißt du, dass es an diesem Rad liegt? Verstehst du etwas von Maschinen?«
    Die Stimme klang interessiert und weniger befehlend als zu Beginn der Unterhaltung. Cylas schüttelte zur Antwort auf die Frage den Kopf.
    »Ich verstehe nichts von diesen Dingen«, sagte er bescheiden. »Ich sehe nur, was sie tun und erkenne irgendwie die Zusammenhänge. Ich kann es leider nicht besser erklären, Herr.«
    »Das ist auch nicht nötig. Wenn du Recht hast, wird die Maschine wieder funktionieren, wenn ich dem Aufseher befehle, deinen Vorschlag durchzuführen. Funktioniert sie nicht, wirst du bestraft. Hast du das verstanden?«
    »Ja, Herr«, antwortete Cylas nervös. »Möchtet Ihr, dass ich zurück in die Halle gehe?«
    Die Stimme schwieg und die Kette rührte sich nicht.
    Das Warten begann.
    ***
    Zamorra hörte das Klicken im gleichen Moment. Ohne zu zögern warf er sich nach vorne, umklammerte die Beine des

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