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0688 - Das Hohe Volk

0688 - Das Hohe Volk

Titel: 0688 - Das Hohe Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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oben.
    Die Entscheidung fiel ihr leicht. Der Tote, der aus dem Turm auf die Erde gestürzt war, bestätigte sie in ihrer Vermutung, dass es nur dort oben Antworten auf ihre Fragen gab. Sie musste hinauf.
    Nicole lief geduckt über den offenen Platz. Die Mauer, die das Dorf von seinem Heiligtum trennte, war nicht weit entfernt.
    Aufgeregte Rufe ließen sie zusammenzucken. Ein Speer bohrte sich dicht neben ihr in den Boden.
    Man hatte sie entdeckt.
    Nicole rannte los. Im Zickzack überquerte sie das offene Gelände, während hinter ihr die Ersten zur Verfolgung ansetzten. Ein weiterer Speer flog so dicht an ihr vorbei, dass sie den Luftzug auf ihrer Haut spürte.
    Sie lief durch das Tor hindurch, warf einen Wasserbehälter um, den sie in der Dunkelheit nicht gesehen hatte und sprang mit einem Satz auf die drittunterste Stufe. Am liebsten hätte sie mehrere Stufen auf einmal genommen, aber die Steintreppe war zu uneben und hatte kein Geländer. Wenn sie stürzte, war sie den Neandertalern ausgeliefert.
    Als Nicole sicher sein konnte, dass sie nicht mehr in Reichweite der Speerwürfe war, blieb sie stehen und sah zurück zum Boden.
    Keiner der Dorfbewohner war ihr gefolgt. Einige standen am Rand der Treppe und sahen ihr nach. Einer nach dem anderen wandte sich ab und ging zurück zu den Zelten. Es schien, als hätten sie Nicole bereits vergessen.
    Vielleicht wissen sie, dass niemand von hier zurückkommt, dachte sie und versuchte erfolglos, das Bild des zerschmetterten Toten zu verdrängen.
    Mit einem mulmigen Gefühl stieg Nicole weiter die Treppe hinauf.
    Dem Turm entgegen.
    ***
    »Wie konnte das passieren?«
    »Was, Herr?«
    »Wieso ist der Diener so tief gestürzt?«
    »Es… ist wohl ein Fehler in den Maschinen, Herr.«
    »Ist es nicht deine Aufgabe, solche Fehler zu vermeiden?«
    »Es tut mir leid, Herr. Manche Diener verstehen nicht, was sie zu tun haben.«
    »Dann bring es ihnen bei!«
    »Ja, Herr.«
    »Was ist mit den anderen?«
    »Ich habe sie zur Heilung bringen lassen.«
    »Funktionieren diese Maschinen wenigstens?«
    »Ich konnte keinen Fehler entdecken, Herr.«
    »Dann sorge dafür, dass das so bleibt! Ich kann es mir nicht leisten, noch mehr Diener zu verlieren. Die Kapazitäten des Stammes sind nicht unbegrenzt.«
    »Ja, Herr. Ich werde mein Bestes geben.«
    »Das solltest du, wenn du nicht zurück an die Kette willst. Du verstehst hoffentlich, was ich damit sagen will.«
    »Meine Dankbarkeit für Eure Großzügigkeit und Geduld kennt keine Grenzen, Herr. Ich werde Euer Vertrauen nicht erschüttern.«
    »Dann verschwinde jetzt. Und vergiss nicht, dass der Eisenring um deinen Hals nur einen Befehl entfernt ist.«
    »Ich werde das beherzigen, Herr.«
    »Gut.«
    ***
    Es war heiß wie die Hölle in der Halle, in der die Diener schufteten; fast unerträglich. Cylas hustete in der verdreckten Luft. Seine Haut war von einer stinkenden, schmierigen Schicht aus Schweiß und Ruß bedeckt. Der Eisenring scheuerte gegen seinen Hals und reizte die Brandwunden. Sein ganzer Körper ächzte unter der ungewohnten, monotonen Arbeit, aber Cylas schaufelte mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Wenn er es nicht tat, das hatte er schließlich am eigenen Leib erfahren, kam der Schmerz…
    Ein heftiger Ruck an den Ketten ließ alle Diener aufsehen.
    Sie streckten ihre gekrümmten Rücken und stellten die Schaufeln ab. Cylas folgte ihrem Beispiel.
    Der junge Krieger spürte das Knistern der Magie, die wie ein Irrlicht durch die Halle zuckte. Nach und nach wurden die Maschinen leiser, bis nur noch ein leichtes Brummen zu hören war. Cylas konnte sehen, dass sie immer noch liefen, aber die Magie hatte ihre Geräusche gedämpft. Nur in seinen Ohren hallte der Lärm noch nach.
    Eine Gestalt schwebte auf einer hölzernen Plattform in den Raum. Cylas hatte diese Person noch nie gesehen, aber die anderen schienen sie zu kennen, die sie verneigten sich, so tief es die Ketten erlaubten. Vorsichtshalber tat Cylas das Gleiche.
    Die Gestalt, die der junge Krieger bei näherem Hinsehen als ungeheuer hageren Mann erkannte, nahm etwas an den Mund, das wie ein Trichter aussah.
    »Diener«, rief er. Seine Stimme dröhnte so laut durch die Halle, dass Cylas zusammenzuckte. Trotz der Lautstärke legten einige der anderen Männer die Hände hinter ihre Ohren, um ihn besser verstehen zu können. Die Arbeit an den Maschinen hatte sie taub werden lassen.
    »Diener«, wiederholte der Hagere. »Ihr habt Fehler gemacht.«
    Die Arbeiter um Cylas herum

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